Die diesjährige Weinlese nehme ich zum Anlass, endlich mal wieder einen Beitrag in mein Italientagebuch zu schreiben. Außerdem lest ihr im 16. Teil dieser Rubrik über Kaktusfeigen und wie man sie isst und über ein besonders atmosphärisches Event im Sacro Bosco von Bomarzo.
5. September 2025
Dieses Jahr schenkt uns der kleine Weinberg hier in Bomarzo sehr viele und sehr saftige Trauben. Wir hatten bis dato ein Jahr mit deutlich mehr Niederschlag – ein Segen nach den letzten beiden Jahren mit extremer Dürre und Hitze. Der Juni war zwar sehr trocken und heiß, aber Juli und August hielten sich mit rund 30-35 Grad anstatt von Ü-40 zum Glück im Normalbereich für zentralitalienische Gefilde und einen Regenschauer gab es auch hin und wieder.
Seit Mitte August waren die Trauben dann so süß, dass wir im Vorbeigehen nicht anders konnten, als immer wieder zu naschen. Das Messen des Zuckergrads hätten wir uns sparen können, er war deutlich zu erschmecken. Wie fast schon erwartet lag dieser bei guten 17, wie das „Babo-Mostimeter“ anzeigte. Für einen schmackhaften, trocken bis halbtrockenen Weißwein sollte der Zuckergrad genau dort liegen. Als Faustregel gilt: Bei 18 Grad Babo ergibt sich später Wein mit einem Alkoholgehalt von 11 Prozent, was für einen Weißwein passend ist.
Falls ihr euch fragt was dieses „Babo“ bedeutet: Für den Zuckergehalt des Traubensafts werden international unterschiedliche Einheiten verwendet. Hier in Italien messen wir in „Babo“, in Deutschland hingegen wird in Grad Oechsle (°Oe) gemessen.
Länger warten und die Trauben noch weiter reifen lassen, wollten wir nicht. Nicht nur, weil sie schon jetzt erntereif waren (mit ausreichendem Zuckergrad für die Weinproduktion), sondern weil jeder zusätzliche Tag zusätzliches Risiko bedeutet, die Reben zu verlieren. Unser Weinberg liegt in Waldnähe. Nachts wagen sich die Wild- und Stachelschweine und die Dachse bis an unseren Elektrozaun heran. Die süß-saftigen Trauben sind auch für sie eine Verlockung. Wir wären nicht die ersten Weinbauern, die ihren Weinberg morgens leergefressen vorfinden. Eine weitere Gefahr für die Trauben sind die derzeitigen Gewitter die auch mal einen Hagelschauer mitbringen können. Auch dadurch könnte die Ernte verloren gehen. Also lieber schnell loslegen mit der Weinlese!
Am sonnigen Freitagmorgen des 5. September begannen wir zu ernten. Schon die Tage vor der Weinlese, stehen ganz im Zeichen des Rebsafts. Bottiche für die Ernte müssen herangeschafft und gereinigt werden. Wenn Salvatore die großen Behälter mit seinem kleinen Fiesta vom Lager zum Landhaus durch Bomarzo transportiert, ist das immer ein Hingucker und man sieht die Leute lachen. Ich finde es sieht so aus, als hätte das Auto einen Hut auf, findet ihr nicht?
Weinlese ist nicht ganz so anstrengend wie Oliven ernten (Ende Oktober/Anfang November), u.a. weil man nicht über Kopfhöhe arbeitet. Dennoch waren wir am Abend nach vollendetem Werk ganz schön platt. Reben abknipsen, in Eimern aus dem Weinberg zur Abbeermaschine tragen, abbeeren, danach pressen und zum Schluss den gefilterten Most in einen großen Tank geben. Stolze 300 Liter kamen in diesem Jahr zusammen. 2024 hatten wir 200 Liter und 2023 nur 45 Liter. Wieso, weshalb, warum lest ihr hier:
Weinlese 2024, ein nostalgisches Landfest und Salvatores Tierskulpturen – Italientagebuch Teil 13
Weinlese 2023, Shopping beim Önologen und Gassirunde nicht nur mit Hund – Italientagebuch Teil 4
Jetzt heißt es abwarten bis die Fermentation abgeschlossen ist. Das dauert durchschnittlich fünf bis elf Tage. Schaut man nun in den Tank, blubbert der Most dort vor sich hin. Um die Fermentation anzuregen, mussten wir Hefen dazu geben. Wenn sich diese abgesetzt haben und die Fermentation abgeschlossen ist, schütten wir den Most in einen Stahltank um. Dort reift er dann zu Wein. Ab Mitte November wird er genießbar.
Zusatzinfo für Weinkenner: Wie schon in den letzten zwei Jahren verzichteten wir auf den Arbeitsschritt der Mazeration, d.h. auf das Belassen der Traubenschalen für einige Zeit im Saft für mehr Farbe und Aroma. Wenn es im nächsten Jahr wieder so viele Trauben gibt, wie dieses Mal, wollen wir einen Naturwein mit Mazeration herstellen und können dann womöglich auch auf die Zugabe von Hefen verzichten.
Da wir noch nicht mit einem Glas Wein des Jahrgangs 2025 anstoßen können, tun wir das mit einem Glas zuckersüßem Most. Diese leckere Alternative ist aber nur in Maßen zu genießen. Ein halbes Glas reicht, denn Achtung: Traubenmost wirkt abführend!
8. September 2025
Habt ihr schonmal Kaktusfeigen (italienisch: „Fichi d’India“) probiert? Ich habe hier in Bomarzo zum ersten Mal die Möglichkeit dazu, Dank eines imposanten Feigenkaktus in unserem Garten, den sich Salvatores Vater vor vielen Jahren von einem Freund aus Sizilien mitbringen ließ und der auch hier bestens gedeiht. Im Juni erfreue ich mich an dessen gelb leuchtenden Blüten, jetzt im September koste ich zum ersten Mal die Früchte.
Beim Pflücken und Schälen ist Vorsicht angesagt, denn die Kaktusfeigen haben feine Stachel, die man keinesfalls in der Haut und erst recht nicht im Mund haben möchte. Wir ernten die Früchte mit einer langen Grillzange, um ihre Stachel nicht zu berühren. Danach entfernen wir die Stachel mit einem Messer unter fließendem Wasser. Praktisch ist es, die Frucht dabei auf einer Gabel aufgespießt zu halten. Mit dem Messer ritzt man danach die Schale der Länge nach ein und entfernt sie dann komplett, wenn alles gut läuft in zwei Stücken. Übrig bleibt ein etwas glitschiger Klumpen Fruchtfleisch mit schwarzen Kernen, die bedenkenlos mitgegessen werden können.
Aber wie schmeckt nun so eine Kaktusfeige? – Mmm, was soll ich sagen, vielleicht noch am ehesten vergleichbar mit Papaya. Sehr eigentümlich, etwas mehlig, süßlich. Ehrlich gesagt gibt es Früchte, die mir besser schmecken. Aber Salvatores Vater zum Beispiel, war regelrecht verrückt nach Kaktusfeigen. Ist eben alles Geschmacksache.
Unumstritten ist, dass Kaktusfeigen sehr gesund sind. Sie enthalten viel Vitamin B, C und E und stärken damit das Immunsystem. Außerdem wird der sehr kalorienarmen Frucht eine blutdrucksenkende und fett bindende Wirkung nachgesagt. Sie unterstützt eine gesunde Darmflora und wirkt leicht antioxidativ und entzündungshemmend.
Ich habe es noch nicht ausprobiert, kann mir Kaktusfeige aber gut als Chutney vorstellen zu Käse oder Zwiebeln. Auch Marmelade und Saft wird aus ihnen gemacht.
Ursprünglich kommt der Feigenkaktus aus Mexiko. Heute wächst er auch in vielen warmen Mittelmeerregionen. In Italien gehört er besonders auf Sizilien zur regionalen Küche. Dort werden auch die Schalen der Früchte gegessen (natürlich ohne Stachel), paniert und scharf gewürzt als vegane Schnitzelchen. Doch nicht nur hier, auch im Norden Europas sind Kaktusfrüchte inzwischen zu finden. Nicht in freier Natur, aber in den Obstauslagen im Supermarkt. Dort haben sie den Vorteil, bereits entstachelt zu sein.
Rückblick 30. August 2025
Zum Schluss habe ich noch ein paar Impressionen aus dem illuminierten Sacro Bosco in Bomarzo für euch. Eigentlich hat der Park mit den rätselhaften Skulpturen des Grafen Orsini nur tagsüber geöffnet. Einmal im Jahr aber, ist er bis Mitternacht zugänglich. Angestrahlt erzeugen die Drachen, Elefanten und Sartyrn zwischen den Bäumen eine ganz besonders mystische Atmosphäre.
Im Sacro Bosco kann man im Restaurant „Locanda del Mostro“ (deutsch: „Gasthof zum Monster“) hervorragend Pizza essen. Ich empfehle die einfache aber unglaublich leckere Pizza Tomate, Knoblauch, Oregano!
Zum letzten Teil des Italientagebuch geht es hier: Der versteckte Glockenturm, Polenta und die Mimose – Italientagebuch Teil 15
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