Der versteckte Glockenturm, Polenta und die Mimose – Italientagebuch Teil 15
Im 15. Teil vom Italientagebuch geht es nach Bassano in Teverina zu einem Turm der lange Zeit ein Geheimnis barg. Außerdem, gibt’s Polenta in unserem Garten, wo derzeit auch die Falsche Mimose blüht – so schön wie viele strahlende Sonnen in Miniatur.
9. Februar 2025
Wir unternehmen einen Ausflug in einen unserer Nachbarorte, Bassano in Teverina, um dort dem, so betitelten „Mysterium des versteckten Glockenturms“ auf die Spur zu kommen. Tatsächlich gibt es in dem 1300-Einwohner-Borgho ein Kuriosum, dass ich so noch nirgendwo anders gesehen habe: Ein in einen Uhrturm eingemauerten Glockenturm, so als hätte man den einen Turm in einer Verpackung verstecken wollen. Und genau das wird auch von Historikern vermutet, wie wir auf der 40-Minütigen Führung durch die Kirche der „Santa Maria Lumi“ und anschließend auf den Turm hinauf erfahren.
- Hier gibt’s Tickets für den Turm
- János vor Turm und Lumi-Kirche
- Das Wahrzeichen – der Turm im Turm
Von außen betrachtet wirkt der 25 Meter hohe Uhrturm aus der Renaissance-Zeit, wie einer der vielen in den italienischen Dörfern der Region Tuscia oder der nahen Toskana. So machten sich wahrscheinlich auch die Einwohner Bassanos lange Zeit keine weiteren Gedanken um das Bauwerk. Erst rund 400 Jahre später, genauer im Jahr 1976 entdeckten Techniker bei Bauarbeiten das Außergewöhnliche. Zunächst wunderten sie sich über die enorm dicke Mauer, stellen dann fest, dass es sich anstatt einer festen Mauer um Füllmaterial handelt und sich dahinter ein anderer Turm innerhalb des Uhrturm befindet.

Architektonisch und geschichtlich spannend
- Ein kleines Bauernmuseum im Turm
- Schöne Aussicht von der Turmspitze
In diesen inneren, romanischen Glockenturm aus dem 11. Jahrhundert (es ist der zur Kirche „Santa Maria Lumi“ gehörende Glockenturm) steigen wir über 6 Etagen hinauf bis zur Spitze. Innen erstaunen die reich verzierten Säulen in den Fensterbögen, Eine anders als die Andere und teils mit provokanten Motiven. So verspottet eine Figur, ein nackter Mann, an einer der Säulen die Nachbarstadt Orte, indem er extra so ausgerichtet ist, dass er der Stadt den Rücken zuwendet. Eine einzige Säule ist in Schlangenform gebaut. Warum hat man das so gemacht? Was für ein Aufwand, jede Säule anders zu gestalten, womöglich mit jeweils einer bestimmten Bedeutung. Und wie besonders schön würde dieser Turm in seiner Andersartigkeit wirken, hätte man ihn nicht ummauert. Warum das geschah, weiß man bis heute nicht. Experten vermuten, der Turm mit seinen Motiv-Säulen sei eine Provokation gewesen, insbesondere für die strenge, katholische Kirche. Um das ungewöhnliche Bauwerk zu schützen, haben es die damaligen Machthaber Bassanos in einem anderen Turm versteckt.
Nicht nur vom höchsten Punkt des Turms aus, sondern auch vom (gut ausgeschilderten) Belvedere hat man eine herrliche Aussicht auf das Tibertal und die umliegenden Ortschaften. Hier kann auch mein Hund János wieder mit dabei sein, der während der Turmführung besser im Auto aufgehoben war. Hunde dürfen zwar mit hinein und hinauf, aber wenn sie nicht klein und tragbar sind, ist bei den offenen und engen Gittertreppenstufen davon abzuraten.
Um unseren Ausflug abzurunden, kehren wir in die Osteria Belvedere ein. Dort isst man sehr gut, wenn auch nicht gerade günstig. Da der Hauptraum des urigen und gleichzeitig schicken Ristorante bereits voll besetzt ist, und auch, weil wir unseren großen János dabei haben, wird uns ein Platz in der Gewölbe-Lounge zugewiesen. Uns gefällt das. Dieses ehemalige Weinlager wird so unser privater Raum, indem wir eine hervorragende Vorspeisenplatte, Risotto und Tagliatelle schmausen und dazu einen leckeren Weißwein der lokalen Rebsorte Procanico aus dem nahen Gradoli am Bolsenasee genießen.
Italientagebuch am 16. Februar 2025
Wo wir gerade beim Thema Essen sind (ein in Italien immer präsentes Thema 😉 ) möchte ich euch von einer Speise erzählen, deren Zubereitung und Genuss immer wieder ein Event ist. Eigentlich gehört die Polenta in den Winter, der hier bei uns in Mittelitalien gerade am ausklingen ist. Da wir aber dieses Jahr noch keine Polenta zubereitet haben, schreiten wir trotz Sonne und frühlingshaften 15 Grad an diesem Sontag zur Tat. Wenn nicht jetzt, dann erst wieder im nächsten Winter.
Die Polenta hat in Italien eine lange Tradition. Der zumeist im Kupferkessel gekochte und stets lange gerührte Maisgries war, vor allem in Norditalien, ein Grundnahrungsmittel der Landbevölkerung. Heute kredenzt man in ganz Italien Polenta in verschiedenen Varianten und oft besteht die Basis längst nicht mehr nur aus Mais, sondern auch aus Buchweizen und anderen Getreiden.
Salvatore bereitet die Polenta so zu, wie er es von seiner Mamma kennengelernt hat und wie es hier im Latium Tradition ist: Dünn auf das Teigbrett ausgestrichen und dann mit Tomatensauce und je nach Laune, mit Pilzen, Käse, Knoblauch, Lorbeerblatt und Schafswürstchen garniert. Dann wird die Polenta direkt vom Brett gelöffelt. Wahnsinnig lecker und dazu spaßig. Doch irgendwie verliert man immer die Kontrolle und isst viel zu viel.
- der Rest vom Fest
- auch János schmeckt’s
- mit übervollem Bauch hilft nur noch ausstrecken!
Italientagebuch am 19. Februar 2025
Es ist jedes Jahr wie unser eigenes kleines Frühlingsfest: Die Mimose erblüht und setzt mit ihren leuchtend gelben Blütenbällchen den ersten starken Farbakzent zwischen der zumeist noch kargen Landschaft. Im März 2023 haben wir sie als gerade mal ein Meter hohe Pflanze auf unser Terrain gesetzt und staunen heute, zwei Jahre später, wie schnell sie gewachsen ist.
Die Mimose (Acacia dealbata) zählt zwar zur großen Familie der Mimosengewächse, ist aber eigentlich eine Akazie, weshalb sie im Deutschen Silberakazie oder auch Falsche Mimose genannt wird. Wild wächst die Silberakazie in Australien. Im 19. Jhd. verpflanzten britische Botaniker sie u.a. in Gärten der Côte d’Azur. Dort kann man heute in der Nähe von Aix-en-Provence der „Route de Mimose“ folgen. Im Mittelmeerraum fühlt sich diese Pflanze aufgrund der Wärme und Sonne besonders wohl. Aber auch in Deutschland kann sie gedeihen, dann am besten im Kübel, den man im Winter in’s Haus holt.
- 2023
- 2023
- 2023 – Ein Prosit auf die Mimose!
- 2024
- 2025
- 2025
Sicher kennt ihr die Redewendung „empfindlich wie eine Mimose“, die im Bezug auf besonders sensible Personen Anwendung findet . Sie geht darauf zurück, dass die Mimose bereits bei zaghafter Berührung ihre Blätter einklappt.
Unsere „Mimosa“ , die Falsche Mimose, klappt ihre Blätter bei Berührung nicht ein. Das wiederum passt dazu, dass sie hier in Italien eben nicht Zeichen von Empfindlichkeit ist, sondern für Selbstbewusstsein, Stärke und Weiblichkeit steht. Deswegen wird sie auch am 8. März, dem internationalen Frauentag, in Italien (Festa Della Donna) als Zweig oder Strauß an die Frauen verschenkt.
Zum letzten Teil des Italientagebuch geht es hier: Olivenernte 2024, Wintergemüse und Waldgott Pan lässt grüßen – Italientagebuch Teil 14
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