Weinlese 2023, Shopping beim Önologen und Gassirunde nicht nur mit Hund – Italientagebuch Teil 4
7. September 2023
Die Weinlese fällt in diesem Jahr spärlich aus. Durch den vielen Niederschlag im Frühling, in der Zeit nach der Blüte, als sich die Trauben begannen zu bilden, entstand durch zuviel Feuchtigkeit Mehltau. Zuerst dachten wir, der Weinberg ist hin für dieses Jahr. Wir legten den Fokus nur noch darauf die Weinstöcke zu retten und spritzten als Schutzschicht Kupfer (eine ökologisch schonende Möglichkeit). Doch das trockene, sonnige und warme Wetter ab Juli spielte uns wider Erwarten in die Karten. Tatsächlich bildeten sich doch ein paar Trauben.
So konnten wir nun also doch Weißwein ernten (Malvasia, Grecetto, Trebbiano) wenn auch viel weniger als üblich: 45 Liter. Sonst sind es hier im kleinen Weinberg 200 bis 300 Liter. Wegen der geringen Menge, vereinfachten wir die Produktion und verzichteten auf den Schritt der Mazeration, d.h. auf das Belassen der Traubenschalen für einige Zeit im Saft für mehr Farbe und Aroma. Auch die Stiele entfernten wir vorher nicht mit unserer kleinen Abbeermaschine, sondern gaben die Reben direkt in einen Behälter und zerquetschten sie auf traditionelle Weise mit den Füßen und dann in der Weinpresse.
Einen derartig starken Schaden am Weinberg hat es in Salvatores letzten drei Familiengenerationen noch nie gegeben. Und nicht nur wir, sondern ganz Mittel- und Süditalien klagt in diesem Jahr über eine sehr schlechte Ernte, derweil das Weinjahr in Deutschland erfolgreich verlief und der Jahrgang 2023 wohl sehr gut werden soll. Wir sind nun gespannt auf unseren Wein hier in Bomarzo. Probieren werden wir ihn das erste Mal Mitte November, zusammen mit meiner Schwester Luisa, die dann zu Besuch ist. Eine alte italienische Bauernweisheit besagt: “A San Martino, ogni mosto diventa vino”, was bedeutet, dass am Martinstag, 11.11. aus Most Wein entstanden sein wird.
9. September 2023
Nachdem der Traubensaft im Stahltank gelagert ist, fahren wir nach La Quercia, ein Vorort von Viterbo. Dort betrete ich zum ersten Mal das Geschäft eines Önologen. Hier findet man alles, was man zum Weinanbau und der Weinherstellung benötigt. Salvatore ordert Reinzuchthefe, die den Vorgang der Gärung unterstützt, bei der der Zucker im Most zu Alkohol umgewandelt wird. Dieses Tütchen mit streuselartiger Weinhefe werden wird zuhause in heißes Wasser schütten und dann die aufgelöste Hefe in den Stahltank geben.
Und sind wir schonmal in La Quercia, kaufen wir natürlich auch das gute Brot, welches es nur hier so gibt und noch allerlei weitere Leckereien. Eine kurze Bar-Einkehr auf dem Dorfplatz, mit Cappuccino und Cornetto gefüllt mit Pistaziencreme darf nicht fehlen.
Auf dem Rückweg passieren wir ein interessantes Bauwerk. Ein Herr der älteren Generation erklärt uns, was es mit diesem „Abbeveratojo“ auf sich hat. Was für mich aussieht wie ein leerer Swimmingpool ist eine historische Viehtränke. Aber warum so überdimensional groß? Das hängt wohl mit der Tiermesse zusammen, die bereits seit dem 13. Jahrhundert im Herbst und später auch im Frühling in La Quercia statt fand. Dafür reisten Landwirte mit ihren Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen aus nah und fern an, teilweise per mehrtägigem Fußmarsch. So trafen tausende von Tieren ein. Da reichte natürlich nicht nur ein kleiner Wassertrog.
Am Vormittag begann dann der Handel unter Aufsicht des „Senzàle“, der Hauptfigur des Marktes. Er war das eigentliche Zünglein an der Waage und Zeuge der Geschäfte, die mit Wort und Handschlag abgeschlossen wurden. Der „Senzale“ erhielt seine Entschädigung, wenn der Käufer den Verkäufer bezahlt hatte. Die Viehmessen waren gleichzeitig auch große Jahrmärkte auf denen die Leute mal auf anderes Publikum, als nur aus ihrem Ort trafen.
Der große Wassertrog, der heute noch existiert wurde 1892 von Pietro Bertarelli erbaut. Aus ihm schlürften Anfang des 20. Jahrhunderts auch Pferde. Rund um das Bauwerk, stehen heute Häuser und ein Park. Vor nicht all‘ zu langer Zeit war dort eine Freifläche mit Pferderennbahn. Die Tradition der Viehtriebe aus den Abruzzen und der Maremma zu den Märkten in die Region Tuscia besteht noch heute, wenn auch vielmehr mit touristischem Schwerpunkt. So findet immer im August ein Fest mit Markt in Monte Romano, (Provinz Viterbo, unweit Bomarzo) statt. Diese Sacra della carne maremmana möchte ich nächstes Jahr unbedingt besuchen und dokumentieren. Ihr werdet sehen…
Fortsetzung 9. September
Neuerdings haben wir Begleitung bei der Gassirunde mit János. Keine Ahnung, was den Katzen plötzlich in den Sinn gekommen ist, aber sie scheinen Freude daran zu haben, mitzuwandern. Vermutlich sind es die im April geborenen, noch neugierigen Kätzchen, die den Anstoß geben. Sie sind mit János aufgewachsen, haben keinerlei Scheu vor ihm. Ganz im Gegenteil – sie suchen oft seine Nähe. János scheint kein großer Fan davon zu sein, lässt ihre Kuschelattacken aber wohlwollend über sich ergehen. Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickeln wird. Vielleicht werden sie noch tierisch beste Freunde.
Zum vorherigen Tagebuch Teil 3 geht es hier: Kohlköpfe in Gefahr, ein toller Hundestrand und die einflussreiche „Päpstin“ – Italientagebuch Teil 3
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