Galiciens Wildpferde-Treiben – Tradition vs. Tierschutz
Wir sind unterwegs in der nordwestspanischen Region Galicien. Es ist Juni, die Zeit in der die Spanier hier dem alten Brauch der „Rapas das Bestas“ (galicisch für „Scheren der Bestien“) nachgehen. Tierschützern ist dieses Wildpferde-Treiben ein Dorn im Auge, doch viele Galicier wollen nicht von dieser Tradition ablassen. In Baiona, rund 30 Kilometer vom bekannten Pilgerort Santiago de Compostela, treffen wir Pferdehalter und Reittouren-Anbieter Manuel. Er lädt uns für den nächsten Tag ein, dem Wildpferde-Rodeo von Mougás beizuwohnen. So können wir uns selbst ein Bild des umstrittenen Events machen.
Am Abend vor dem Rapas das Bestas fahren wir mit unserem Camper in die Berge. Auf schmalen Serpentinen kurven wir immer tiefer in die Waldlandschaft. Manch‘ ein Steilhang gibt die Sicht frei, wir entfernen und langsam vom Meer, das am Fuß der Berge unter uns glitzert. Es geht ein Stück weit ins Hinterland. Eine kleine Lichtung mit Schild, das den Weg zum Rodeo-Platz anzeigt, wird unser Übernachtungsplatz. Von dort zweigt der Schotterweg ab, der uns am nächsten Tag zum Wildpfere-Treiben führen wird.
Reiter im Morgennebel
Es ist noch früh und Nebelschwaden wabern durch die Wälder, als wir gen Rodeo rattern. Auf dieser Piste kommen wir mit unserem Kastenwagen nur langsam voran. Ob das die richtige Route ist? Angeblich sollen die Wildpferde-Treiben tausende Schaulustige anziehen. Bisher sind wir aber noch keiner Menschenseele begegnet. Doch dann: Fünf Reiter überholen uns auf dem Schotterweg. Sie beschleunigen direkt vor unserem Gefährt, verlassen den Weg, reiten mit lautem Rufen ins Dickicht. Das müssen Mitwirkende des Rodeos sein. Plötzlich sind wir mittendrin im Geschehen. Die Reiter kreuzen erneut den Weg, vor ihnen läuft nun eine ganze Herde verwilderter Pferde. Sie werden, wie zahlreiche ihrer Artgenossen, in diesen Morgenstunden aus den Bergen hinunter zum Festplatz auf eine eingezäunte Wiese getrieben, später in den „Curro“, ein mit Steinmauern umrandeter Pferch.
Hier in der Provinz Pontevedra leben viele Pferde, deren Statue zu klein und gedrungen ist, um sich für die Zucht zu eignen, das ganze Jahr über frei in den Wäldern. Jedes Jahr im Juni und Anfang Juli werden sie Rahmen der Rodeos rund um die Dörfer Mougás und Morgadáns sowie in Sabucedo und A Estrada getrieben, gesäubert und gekennzeichnet.
Wildpferde-Treiben gleicht Volksfest
Als wir endlich am Ort des Geschehens ankommen, gleicht der von Wald umgebene Platz tatsächlich einem Volksfest: Musik, Fressbuden und ausgelassene Menschen. Während unser vierbeiniger Begleiter Yeti Bratwurstreste vom Boden aufklaubt, beobachten wir, wie weiterhin Wildpferde heran getrieben werden. Sind sie einmal durch das Gatter auf den umzäunten Festplatz gelaufen, können sie auf der großen freien Innenfläche verschnaufen, werden weitestgehend in Ruhe gelassen. „Ah da seit ihr ja! Gefällt es euch?“ ruft uns Manuel auf spanisch zu, den wir zufällig am Rand treffen. Zum Glück war seine Frage einfach so in die Luft geworfen, sodass wir nicht differenziert antworten mussten. Eine klare Meinung hatten wir uns zu dem Zeitpunkt noch nicht gebildet. Als Tierquälerei hätten wir das bisherige Wildpferde-Treiben aber noch nicht tituliert. Hunderte von Pferden laufen nun auf dem Platz herum, die hierher getriebenen und dazwischen auch die berittenen. Nach und nach bringen die Reiter, viele von ihnen tragen Cowboyhüte, ihre Pferde zu Raststellen außerhalb des Geschehens. Die Wildpferde aber bleiben. Wir gesellen uns zur feierlustigen Menschenmeute, die auf rustikalen Holzbänken Platz nimmt und sich für die bevorstehende Aktion stärkt. Man hat die Auswahl zwischen zwei Gerichten: Riesige Fleischplatten oder gekochter Pulpo (Tintenfisch). Dazu fließt Bier in Mengen.
Stress für die Pferde
Am Nachmittag dann erneuter Stress für die Wildpferde. Nun müssen sie vom Festplatz in die angrenzenden, engen Curros laufen und nun wird das Geschehen auch in unseren Augen für die Tiere grenzwertig. Stuten werden von ihren Fohlen getrennt, erwachsene Hengste separiert. Die Pferde stehen so dicht im Pferch, dass sich ihre Körper berühren. Auf den Mauern rundherum sitzen die Schaulustigen und lassen ihre Beine baumeln. Ein Rumoren geht durch die Menschenmenge als sich die ersten Männer in den Curro wagen, inmitten der nicht ausweichen könnenden, austretenden Pferde. Zwei Fotografen heften sich an die Fersen der Männer um das wilde Treiben aus nächster Nähe in Bildern einzufangen.
Im engen Curro fangen die als Helden gefeierten Agarradores (Bezähmer) die Pferde mit Lassos. „Jeder hier hat seine eigenen Pferde in den Bergen und versucht nun die passenden Tiere zu erwischen um sie später neu zu markieren oder zu verkaufen“, erklärt mir ein Kenner. Einige Pferde sind kaum zu bändigen, doch es gibt kein Reisaus für sie. Mit der Schlinge um den Hals werden sie mit Mühe aus dem Curro zurück auf den großen Festplatz gezogen. Dort wird jedem einzelnen Tier Schweif und Mähne geschnitten. Ein aufgesprühtes Desinfektionsmittel soll Parasiten entfernen. Besitzer markieren ihre Pferde mit einem ins Fell geschnittenen Zeichen. Fohlen werden gebrandmarkt. Ist die Prozedur vollzogen wird den verstörten Pferden die Halterung wieder abgenommen. Sie ergreifen die Flucht, dorthin wo möglichst wenig Menschen stehen.
Freiheit oder Tod
Am Abend, wenn alle Pferde behandelt wurden, wird das Tor geöffnet, sodass die Stuten wieder in die Berge laufen können. Viele der jungen Hengste allerdings, sehen die Freiheit nicht mehr. Sie werden zum Schlachten verkauft.
Die „Rapa das Bestas“ dauert bis in den späten Abend. Dudelsackspieler treten auf und die Stimmung ist ausgelassen, viele vor allem junge Männer lassen sich stolz feiern. Tierschützer kritisieren das Spektakel. Für die Pferde sei es furchtbarer Stress und durch das Beschneiden der Mähnen und des Schweifs würde den Tieren zudem ihre Abwehrmöglichkeit gegen Fliegen und andere lästige Insekten genommen. Es werden Stimmen gesammelt um die „Rapas das bestas“ zu verbieten. Die meisten Galicier hingegen lieben diese uralte Tradition, die der Übersicht über die Herden und der Hygiene der Pferde dienen soll aber bei der es vor allem darum geht, das wilde Tier zu unterwerfen und so Mut und Männlichkeit zu beweisen – ähnlich wie beim umstrittenen Stiertreiben, das in Galicien übrigens unbeliebt ist.
Und jetzt Ihr!
- Habt ihr schonmal von diesen Wildpferde-Rodeos gehört?
- Wie schätzt Ihr das Stress-Level für die Tiere bei diesen Festen ein? – Ich bin gespannt auf eure Meinungen, gerade auch von Pferde-Kennern unter euch. Schreibt mir doch einfach in die Kommentar-Leiste hier unten.
Häufig findet so etwas einmal im Jahr statt. Mit dem Sinn, die männlichen Einjährigen aus der Herde zu fangen, damit sich keine Inzucht ausbreitet. Oft wird ein passender Hengst mit guten Anlagen alle paar Jahre in die Herde geschleust, damit die Rasse erhalten bleibt. Bei den galizischen „Wildpferden“ handelt es sich um ähnlich wie bei den Mustangs um ehemals domestizierte. Aus Artenschutz-Sicht ist der Vorgang sinnvoll.
Aus Sicht Stress: Es bereitet einer Herde auch Stress, wenn sie von Wölfen gejagd wird oder ein Blitz in einen nahe gelegenen Baum/Wald einschlägt, oder… Der Stress Zusammentreiben, fangen, brennen, Junghengste abtrennen und den Rest der Herde wieder freizulassen, ist für die Pferde zu verschmerzen. Zumal die älteren Stuten das Procedere kennen und einschätzen können. Stress gibts auch in freier Wildbahn. Dieser ist auf ein bis zwei Tage begrenzt.
Liebe Silke,
freut mich, dass Du meinen Beitrag gelesen hast! Danke für Deinen fundierten Kommentar.
Der Aspekt mit dem „frischem Blut“ das hin und wieder in die Herde gebracht werden sollte, wurde mir dort auch erklärt. Das hätte ich eigentlich mit in den Beitrag aufnehmen sollen. Bist Du auch schonmal bei so einem „Wildpferde“-Treiben gewesen?
Du magst recht haben, aus Artenschutz-Sicht sinnvoll…dennoch…wenn man sieht, wie grob, ja gar brutal sich dort einige stark akloholisierte Männer den Pferden gegenüber verhalten, nur um zu zeigen „Ich bin der Tollste und Stärkste“, ist das abstoßend. Vielleicht sollte die ganze Feierei drumherum weggelassen werden.
Hallo
Ich bin der Meinung das das unnötige Quälereien und unnötiger Stress ist ich war auch schon mal dort und war geschockt.
Ganz junge noch nicht mal 2 Tage alte Fohlen wurden den ganzen Tag von der Mutter getrennt außerdem ist die Argumentation das das nötig ist um die Hengste auszuwechseln ist kompletter Schwachsinn da die Jährlings Hengste von der Herde verstoßen werden und sich dann eine neue Herde erkämpfen dadurch kommen auch neue Hengste in die Herde.
Zu wildpferd Rodeos habe ich eine ganz klare Meinung, meine Stute stammt aus einem wildpferd Rodeo sie sollte danach geschlachtet werden also kauften wir sie zum schlachtpreis.
Auch das ist wahrscheinlich umstritten ein wildpferd einfach mit nach Deutschland zu nehmen und so. Dahmals war ich 13 es hat lange dedauert bis ich mir ihr Vertrauen erarbeitet hatte nach zwei Jahren harter Arbeit bin ich sie dann das erste mal geritten und es war gar nichts ein Jahr später nach langem Training mit Doppellonge etc. konnte ich sie problemlos reiten im Gelände kommt zwar manchmal noch ihr trieb zum vorschein aber das finde ich super mit ihr ewig lange Strecken zu fetzen. Jetzt also 3 Jahre später sind wir ein Dream Team sie vertraut mir bind und so natürlich auch ich.
LG Luisa
Liebe Luisa,
danke für Dein Interesse an meinem Blog-Beitrag und für Deine Meinung! Wo genau hast Du damals das Rodeo verfolgt?
Bemerkens- und anerkennenswert, dass Du der Stute geholfen und ihr Vertrauen gewonnen hast. Wenn man sich so etwas erarbeitet hat, ist die Bindung zum Tier sicherlich sehr sehr stark. Ich empfinde so bei meinen Hunden aus dem Tierschutz.
Liebe Grüße
Hallo Carolin,
ja, die Feierei unmittelbar drumherum und Alkoholisierte Treiber – ungünstige Mischung.
Ich habe so etwas bisher zwei Mal direkt erlebt, Einmal in den Pyrenäen, da gibts noch frei laufende Mérens-Pferde. Die erhalten die wilde Kultur-Natur-Landschaft als Pfleger und die Rasse selbst soll auch erhalten bleiben. Da läuft das jährliche Spektakel ähnlich zivil wie im münsterländischen Dülmen ab. Sehr traditionell und ruhig. Die Stuten kennen das Ganze schon und sind gelassen. Die jungen Stütchen dürfen bei ihren Mamas bleiben und die einjährigen Hengste werden versteigert. Es wird darauf geachtet, dass die Pferde in ein pferdegerechtes Zuhause kommen.
Viele Grüße!
Silke
Hallo Carolin, ich habe den Bericht ausführlich gelesen und bin der Meinung, dass es unnötiger Stress ist und ausschließlich der Belustigung der Menschen und Zurschaustellung von ,,Männlichkeit “ dient. Wilde Pferde zu reinigen, ihnen Mähne und Schweif abzuschneiden ist m. E. unnötig und mir ist auch nicht wirklich die Logik klar. Stuten von ihren Fohlen zu trennen ist ebenfalls unsinnig. Das man insbesondere die Junghengste rausfangen muss, ist auch bei den Dülmener Wildpferden üblich und wird da um einiges schonender veranstaltet. Mir fehlt bei einer solchen Veranstaltung der Respekt und die Achtung vor dem Tier.
Hallo Barbara,
vielen Dank für das Lesen meines Berichts und Deine Einschätzung. Da Du ja täglich mit Pferden zu tun hast, ist Dein Blick auf die Sache sicherlich nochmal schärfer als meiner.
Liebe Grüße
Carolin