Wildtierhelfer melden zahlreiche verwirrte Igel
„Oh was ist der putzig“ – Igel Lucky lernte ich bei der Wildtierhilfe Osnabrück kennen. Für die Recherche für einen Presse-Bericht zum Thema Igel-Hilfe besuchte ich das kleine Stacheltier auf seiner Pflegestelle in Osnabrück. Dort sprach ich mit Melissa Tomanek, der Leiterin der Wildtierhilfe und ihrer Partnerin Sandra Goedecker über Igel, die aufgrund des milden Winters aus ihrem Winterschlaf erwachen. Und wie das so bei Tierschützern ist, war der Igel nicht das einzige tierische Wesen, das beim Gespräch um uns herum wuselte. Die Haustiere von Melissa und Sandra leisteten uns Gesellschaft. Ein tierisch toller Presse-Termin!
Warmer Winter – Igel-Hilfe ist gefragt
Lucky schnüffelte auf der Kuscheldecke herum während ich probierte ihn fotografisch einzufangen. Eigentlich müsste er jetzt im Januar tief im Winterschlaf liegen, aber der kleine Igel ist, genau wie zahlreiche seiner Artgenossen zu früh erwacht. Schuld daran sind die ungewöhnlich milden Temperaturen. Lucky hat Glück gehabt, die Wildtierhilfe Osnabrück hilft ihm nun über den Winter.
Über 100 Igel-Fälle wurden in diesem Winter bisher bei der Wildtierhilfe gemeldet. „Mit den milderen Wintern der letzten Jahre, steigt die Zahl der erwachten und gefundenen Igel“, erzählt mir Melissa. Auch noch spät in der Saison würden nun sehr kleine und schwache Tiere gemeldet. Das deute zum einen auf Nahrungsmangel, zum anderen auf klimatisch bedingte Verspätung der Geburtszeit hin.
Lucky steckt sein lange, sehr feine Nase in das Schälchen mit Katzenfutter, das auf der Kuscheldecke steht. Er scheint hungrig zu sein. Während wir dem kleinen Igel entzückt zuschauen, bekomme ich von den zwei Expertinnen Infos zum Biorytmus dieser Tierart: Igel bekommen ihren Nachwuchs in der warmen Jahreszeit, August bis Mitte Oktober. Danach heißt es futtern was das Zeug hält um Fettvorräte für den Winterschlaf anzufressen. Der Winterschlaf startet dann, wenn die Bodentemperaturen um den Gefrierpunkt liegen, normalerweise im November und dauert bis März/April. Dafür verkriechen sich Igel unter Laubhaufen, Hölzern oder Hecken, rollen sich zur Kugel, fahren ihren Stoffwechsel und ihre Körpertemperatur stark hinunter um Energie zu sparen. „Atemfrequenz, Herzschlag – alles läuft auf Sparflamme“, weiß Melissa Tomanek.
Wer sich in die Biologie und Verhalten vom Igel vertiefen möchte, bekommt dazu jede Menge fundierte Info beim Verein Pro Igel.
Energiereserven aufgebraucht – Igel-Hilfe nötig
Wie kommt es aber nun genau zu dem Problem der Igel in diesem Winter? – Die Außentemperaturen sind so hoch, dass Igel ihr Körpertemperatur nicht weit herab setzen. So fallen sie nur in eine Art Dämmerschlaf und suchen zwischendurch nach Nahrung, die sie zu dieser Jahreszeit nur schwer finden. Igel sind reine Fleischfresser, ernähren sich von Insekten, Spinnen und Regenwürmern. Bei der erfolglosen Futtersuche verschwenden die Igel ihre Energiereserven, die eigentlich für den Winterschlaf gedacht sind. Sie werden schwächer und schwächer und es kommt zu Vorfällen wie dem, von dem mir Melissa nun berichtet: „Kurz vor Silvester brachte man uns ein Igelweibchen das nur 257 Gramm wog. Zur Einordnung: Das durchschnittliche Winterschlafgewicht bei Jungtieren muss 650 bis 750 Gramm betragen, bei Alttieren mehr als 800 Gramm“.
Das sechsköpfige Team der Wildtierhilfe Osnabrück nimmt deutlich zu leichte, kranke oder verletzte Igel auf. Zuerst werden die Tiere gewogen, sie bekommen ein Flohmittel und Zecken werden entfernt. Eine Kotprobe zeigt, ob der Igel von Innenparasiten befallen ist und mit Medikamenten behandelt werden muss. In großen Kaninchenkäfigen mit Unterschlupf, ausgelegt mit Zeitungspapier und Stroh, werden die Igel dann auf der Pflegestelle mit Futter aufgepäppelt. Auf Heu wird verzichtet, das es schnell schimmele und die Schimmelsporen die Atemwege der Tiere schädigen können. Sind alle Medikamente abgeklungen und das Tier gestärkt kommt es nach Bramsche in das Außengehege der Wildtierhilfe für einen betreuten Winterschlaf. Im Frühling werden gesunde Igel wieder ausgewildert.
Bloß kein Obst, Gemüse und Milch füttern! – Igel-Hilfe braucht Experten
„Wer jetzt im Januar und im Februar einen aktiven Igel findet, kann sich ziemlich sicher sein, dass das Tier Hilfe braucht“, meint Melissa. Normalerweise sei jetzt die Hauptschlafzeit. Zeichen dafür, dass es dem Igel schlecht geht seien eine ovale anstatt runde Körperform und eine erkennbare Nackenfalte. Aber was ist zu tun, wenn man nun so einen Igel findet? – Man solle den Igel vorsichtig mit einem Handtuch aufnehmen und mit dem Tuch in einen Karton zu setzen, lerne ich von der Wildtierhilfe.
Wusstet Ihr, dass das Füttern von Obst, Gemüse und Milch bei Igeln zu Darmentzündung, ja sogar zum Tod führen kann? Also als zweiten Schritt nicht füttern, sondern am besten erstmal eine Wildtierstation, oder einen für Wildtiere fachkundigen Tierarzt anrufen und fragen, wie weiter vorzugehen ist. Generell muss ein Aufnehmen von Wildtieren stets gründlich abgewogen werden. Oftmals sind Wildtiere in ihrem natürlichen Umfeld besser aufgehoben, als womöglich in der falschen Fürosrge von Laien. Die Osnabrücker Wildtierhilfe mit Pflegestellen in Osnabrück, Bramsche und Meppen ist zu erreichen unter Telefon: 0162/5773681.
Melissa und ihre Kollegen hätten übrigens auch schon erlebt, dass zu ihnen gebrachte Igel sterben, weil sie zuvor bei einem nicht auf Wildtiere spezialisierten Tierarzt falsch behandelt wurden. Gängige Spot-on-Produkte gegen Parasiten bei Haustieren, sowie Entwurmung auf Verdacht, werden von den Igeln oft nicht vertragen und decken die Bandbreite der Wildtierparasiten nicht ab.
Hier noch ein paar Tipps für die richtige Igel-Hilfe:
- Wasser anbieten
- im Herbst und Winter Katzentrockenfutter bereitstellen
- Igel nur zur Winterschlafzeit oder wenn sie verletzt sind aufnehmen, sonst in Ruhe lassen
- Laub bis März/April liegen lassen, darin bauen Igel ihre Nester
- Auf Laubbläser und Mähroboter verzichten, sie zerstören nicht nur das Nest, sondern stören durch Lautstärke Igel im Winterschlaf
- Keine Pflanzengifte einsetzen. Sie vernichten Insekten, die Nahrungsgrundlage von Igeln und Singvögeln. Rattengift und Schneckenkorn sind für Igel lebensbedrohlich.
- Beste Hilfe ist ein naturnah gestalteter Garten, aber auch schon eine naturbelassene Ecke kann ausreichen. Wie ein igelfreundlicher Garten genau aussehen sollte könnte ihr auf den Internetseiten des NABU, – „ein Paradies für’s Stacheltier“ nachlesen.
Und jetzt Ihr: Habt ihr schonmal einen Igel aufgenommen? Wir sind gespannt auf eure Kommentare, die ihr hier unten einsetzen könnt.
Zum Zeitungsbericht zu diesem Treffen bitte hier entlang: Neue Osnabrücker Zeitung – Igel erwachen aus dem Winterschlaf
Oh das ist ja ein spannender Bericht. Wir haben seit Jahren einen (oder mehrere?) Igel in unserem Garten. Meist kommt er im Sommer schonmal heraus aber jetzt hatte ich mich sehr gewundert, dass er im Dezember über unsere Wiese lief und habe ihm dann einfach ein Schälchen mit Wasser und eines mit Igeltrockenfutter aus der Zoohandlung (keine Ahnung ob das gut ist…) hingestellt. Er hat beides angenommen und kam immer zur gleichen Uhrzeit über 3-4 Wochen zu der Stelle und sah auch ziemlich gut ernährt aus. Hochnehmen und wiegen wollte ich ihn nicht unbedingt. Das hätte für ihn wahrscheinlich viel zu viel Stress bedeutet. Oder war das ein Fehler?
Irgendwann kam er nicht mehr und das Futter habe ich nicht mehr nachgefüllt. Ich gehe davon aus, dass er sich jetzt versteckt hat und schläft. 🙂
Liebe Grüße
Steffi
Liebe Steffi,
ich freue mich über Deine Nachricht!
Alles richtig gemacht, soweit ich das nun gelernt habe. Bin ja auch kein Igelexperte, sondern habe mir das von der Wildtierhilfe erklären lassen.
Vorschnelles Hochnehmen/Anfassen eines Wildtiers ist nie gut. Ich würde auch immer erst beobachten. So wie’s aussieht, ist der Igel ja dank Deiner „Futter-Spende“ gut zurecht gekommen. Kannst ja mal im Frühjahr schreiben, ob er wieder durch euren Garten trippelt 🙂