Wo sich Hirsch und Aal „gute Nacht“ sagen ,,,, Tiere in Italien
Wir waren 2010 im Amazonas, dem größten Flussdelta der Welt. 2013 fuhren wir mit dem Boot durch’s Donau-Delta in Rumänien, Europas zweitgrößtem Flussdelta und im Februar 2020 konnte ich die ersten warmen Frühlings-Sonnstrahlen im Ebro-Delta in Spanien genießen, derweil es in Deutschland noch Schnee regnete. Mit Fluss-Deltas verbinde ich viele, herrliche Naturerlebnisse und so war klar: Auf unserer Reise gen Süden (wo wir überwintern und Tiere in Italien entdecken wollen), entlang der Adria, erkunden wir auch das Po-Delta südlich von Venedig.
Der Fluss mit dem für uns lustig klingenden Namen „Po“ ist der längste Wasserlauf Italiens. Er entspringt in den Westalpen zwischen Italien und Frankreich und mündet nach 652 km mit fünf Armen in die Adria. In dieses Gewusel der Flussarme, einem Wasserlabyrinth aus Fluss, stehenden Gewässern und dem Meer und einem Hotspot für Tiere in Italien, tauchen wir ein. Am späten Nachmittag des 27. Oktober 2020 rollen im Van wir auf einspurigen, leicht holprigen und sich endlos hinziehenden Straßen durch weite Feldlandschaft (teilweise Reisfelder) südlich der Lagunenstadt Chioggia. Auf unserer maps.me-Karte haben wir einen Parkplatz am Strand von Boccasette zu unserem nächsten Übernachtunspatz auserkoren. Schon auf der Offline-Karte sah die Landschaft spannend aus, mehr aus Wasser als aus befahrbaren Dämmen bestehend. Als wir dort cruisen, dem Sonnenuntergang entgegen, links und rechts der schmalen Straße Wasserläufe in denen wir Nutria entdecken, sind wir sofort verliebt in diese, für Italien doch eigentlich untypische Landschaft.
Mücken und eine Treibholz-Wunderwelt ,,,,Tiere in Italien
Kaum geparkt springe ich mit meiner Kamera aus dem Van um das warme Sonnenuntergangslicht einzufangen. Dabei lerne ich sofort eine wichtige Verhaltenslektion für einen Aufenthalt im Po-Delta: Am späten Nachmittag/frühen Abend nur mit Mückenschutz nach draußen! In meiner Foto-Euphorie bemerke ich es erst garnicht, doch kaum zurück im Van juckt es wie verrückt an all den Körperstellen, die nicht von einer einigermaßen dicken Kleidungsschicht bedeckt waren: Meine Arme sehen aus wie Streuselkuchen und die Stiche an meiner Stirn schwellen zu großen Beulen an. Echt ätzend! – Da Kratzen alles nur noch schlimmer macht, hilft nur Ablenkung. Also unternehmen wir noch einen Abendspaziergang am Strand über dem nun der Mond aufgeht und die Unmengen an Treibholz zu fantasievollen Wesen verschwimmen. Sollen wir sie auch auf unsere Beobachtungsliste der „Tiere in Italien“ setzen?
Der Treibholz-Strand hat uns so begeistert, dass wir auch am nächsten Morgen nach dem Frühstück nochmal wandern gehen. Dieses Mal soweit wie möglich in die andere Richtung bis dahin wo uns der Po-Arm „Po di Maistra“ den Weg abschneidet. Für János ist es hier scheinbar sehr spannden. Er schnüffelt und klettert zwischen den weichen Hölzern herum. Meine Mückestiche jucken noch immer!
Die Gegend um den Flussarm, „Po di Maistra“ soll übrigens besonders gut geeignet sein zur Vogelbeobachtung. Aber generell ist das Delta natürlich ein Highlight für Vogel-Fans: Flamingos, viele Reiher-, und Möwen-Arten, Kormorane, sowie im Frühjahr und Herbst Rastgebiet tausender Zugvögel auf ihrem Weg von bzw. nach Afrika.
Schwimmende Jagdhütten ,,,,Tiere in Italien
Am frühen Nachmittag brechen wir wieder auf, holpern die rund fünf Kilometer über asphaltierte Feldwege zurück zur Hauptstraße E55/SS309 um über den Hauptarm „Po di Venezia“ zu kommen und den Strand von Volano zu erreichen. Fotostopps hier und da, bei denen wir etwas entdecken, was wir vorher noch nirgends gesehen haben: Kleine Strohhütten auf dem Wasser – Jagdhütten in die die Jäger mit dem Boot hinein fahren und aus ihrem Versteck heraus Wasservögel schießen können. Immer wieder im Blick haben wir auch den hässlichen, hohen Turm des Elektrizitätswerks, welches schon vor über 14 Jahren still gelegt wurde und mit dessen Abbau nun aber endlich begonnen wird. Das im 16. Jahrhundert erbaute Lustschloss „Castello Estense della Mesola“ im Ort Mesola haut uns nicht aus den Puschen. Für eine kleine Kaffeepause in einem der netten Cafés am Marktplatz lohnt Mesola dennoch. Außerdem gibt es eine WoMo-Wasser-Ver- und Entsorgungsstelle (auch Stellplatz, Via Biverare).
Damwild in den Dünen ,,,,Tiere in Italien
Richtig schön wird es dann wieder in Volano. Das Örtchen ist bekannt für seinen dichten und unter Naturschutz stehenden Pinienwald entlang seiner Küste. Wieder ist es früher Abend, als wir den von uns angesteuerten Strandparkplatz erreichen. Jetzt, Ende Oktober, ist hier nicht mehr viel los und so laufen anstatt der Strandurlauber doch tatsächlich Dam-Hirsche durch die Dünen, Pinien und später sogar mitten über den Parkplatz. Wir können sie auch abends noch lange aus unserem Van heraus beobachten. Zuvor treffen wir beim Abendspaziergang eine Italienerin die nahe einer verlassenen Strandbar ein riesiges Rudel Streunerkatzen füttert. Mit dem Fahrrad kommt sie angeradelt, Tüten voll mit Katzenfutter dabei. Solche betreuten Futterstellen für wild herum laufende Katzen haben wir auch schon an den Cinque Terre (Ligurien) und auf der Cavallino-Landzunge vor Venedig gesehen.
Am nächsten Morgen scheint das Damwild verschwunden zu sein und János darf wieder von der Leine und am Strand toben. Zu dieser Jahreszeit hier kein Problem! Auf einer klapprigen Landungsbrücke stehen eine Reihe Angler mit den für diese Region typischen, quadratischen Fangnetzen. Diese hier werden von Hand auf und ab gezogen, später sehen wir an vielen anderen Orten im Delta Fischerhütten, an denen diese Netzkonstruktionen fest angebracht und mit Seilwinden auf und ab bewegt werden. Eine Fischerin auf der Landungsbrücke zeigt uns die kleinen Fischchen die sie gefangen hat und wohl frittieren wird. Lecker! Als wir am Strand entlang laufen, steigt uns der Duft von gebratenem Fisch in die Nase. Eine der vielen Strandbars hat trotz „Off-Season“ und Corona-Zeit noch geöffnet und wird jetzt zur Mittagszeit von Einheimischen gut frequentiert.
Aale können auch süß sein ,,,,Tiere in Italien
Nach Fisch riecht es auch in Comacchio. Der hübsche Fischerort im Süden des Po-Deltas, wird wegen seiner Lagunen und Kanäle auch kleines Vendig genannt. Hier gibt es allerdings keine pompösen Palazzi oder singende Gondoliere, dafür bunte Häuser, Brücken die in mehrere Richtungen führen, Fischrestaurants und ein Museum zum Thema Aal-Fischerei in der historischen Aalkonservierungsfabrik. Früher wurde hier mit Aalfang großes Geld gemacht. Das klappt heute nicht mehr so gut, werden die Aale doch weniger, stehen inzwischen auf der Liste „Roten Liste der bedrohten Tierarten“. Die Lagune von Comacchio gehört aber noch immer zu den Aufenthaltsgebieten der Aale, auf ihrer Lebensreise von ihrem Geburtsort, der Sargassosee in der Nähe der Bahamas (nur dort werden sie geboren!) bis an die europäischen Küsten und später wieder zurück zum Geburtsort zum Ableichen und Sterben.
Als wir Ende Oktober 2020 in Comacchio sind, ist es entweder schon vorbei oder hat wegen Corona garnicht stattgefunden, das jährliche Fest des Aals. Macht nicht’s, wir hätten den schlangenartigen Fisch eh nicht gegessen, auch nicht eingelegt aus einer der hier in Spezialitätenläden angebotenen Konserven und auch nicht obwohl Sophia Loren ihn hier in den 50er Jahren während der Dreharbeiten zu „Die Frau vom Fluss“ verschmauste. Statt dessen kaufen wir zwei Tüten einer anderen, für hier typischen Lecker-Schmeckerei: Süße Kekse in Aal- und Fischform, die „Biscotti di Comacchio“. Die trockenen Kekse passen gut zum Espresso den wir uns auf dem Parkplatz am Bosco della Mesola aufbrühen.
Wertvoller Wald im Flussdelta ,,,,Tiere in Italien
Das Kassenhäuschen hat geschlossen als wir den Parkplatz erreichen. Auf dem Infoschild lesen wir, dass der Mesola-Wald nur Dienstags, Freitags und am Wochenende geöffnet ist. Der Parkplatzbereich mit Wiesen, Bäumen und Sitzbänken ist aber schön, sodass wir über Nacht einfach mit dem Van hier stehen bleiben um am nächsten Tag den Bosco della Mesola besuchen zu können. Zunächst erscheint es uns befremdlich, dass man für den Besuch eines Waldes Eintritt bezahlen muss, aber als wir mehr über das geschützte Areal erfahren und über die darin lebenden, besonderen Mesola-Hirsche, verstehen wir, warum der Wald eingezäunt und nicht vollständig zugänglich ist. Es gibt drei unterschiedlichlich lange Wanderrouten auf denen man das Gebiet erkunden kann. Am Eingang können auch Fahrräder geliehen oder eine Exkursion (im Minibus oder mit den Rad) mit dem Ranger gebucht werden. Sehr schade ist, dass Hunde nicht mit hinein dürfen, auch nicht an der Leine.
- Öffnungszeiten Bosco della Mesola: Dienstags + Freitags + Wochenende (im Winter, November bis ca. Ostern geschlossen)
- Tickets: 4€ (Kombiticket auch für das Castello Mesola), reduziert 3€, Kinder unter 6 Jahren gratis
- Geführte Exkursionen: „Auf den Spuren des Mesola-Hirsch“, im Minibus, 1. März bis 30. Oktober, Sa. +So. +Feiertags um 9, 11, 14:30 un 16 Uhr, Dauer 1,5 Std. Ticket: 12€, reduziert 9€, Kinder unter 6 Jahren gratis. „Auf zwei Rädern durch den Wald“, geführte Radtour in sonst für die Öffentlichkeit geschlossene Bereiche des Naturresevats, 1. März bis 15. Mai und 15. Juli bis 10. September, So. + Feiertags um 15:30 Uhr, Dauer 2 Std., Ticket: 6€, reduziert 3€, Kinder unter 6 Jahren gratis
Diese Hirsche gibt’s nur hier ,,,,Tiere in Italien
Wir haben herrliche Herbstsonne, als wir am nächsten Morgen zu unserer Tour durch den Mesola-Wald aufbrechen. Der Mesola-Wald ist uralt und soll laut Infoschild an die antiken Wälder erinnern, die sich noch bis vor ein paar Jahrhunderten entlang der Adriaküste erstreckten. Ehrlich gesagt haben wir uns die Struktur des Waldes irgendwie aufregender vorgestellt, dachten dass auch wir Laien den Bäumen ihr Alter ansehen könnten – So wie im Frühling 2020 bei unserem Besuch des Urwald Sababurg im Reinhardswald (nächster Bericht in Planung, kommt bald!). Zunächst etwas enttäuscht wandern wir auf der vorgegebenen Route und erfreuen uns, wenn auch nicht an erkennbaren Baum-Methusalems dann an den vielen unterschiedlichen Pilzen die hier im Herbst zu Hauf aus dem Boden sprießen. Doch dann…..Maik packt mich plötzlich am Arm, deutet mir bloß nichts zu sagen und zeigt aufgeregt in’s Dickicht. Dann sehe ich sie auch: Zwei imposante Hirsche die keine zehn Meter von uns entfernt im Wald Siesta halten. Ich krame mein Teleobjektiv aus dem Rucksack, in der Hoffnung, dass wenn ich wieder aufschaue, die Hirsche noch da sind. Sie sind da und bleiben sogar, als ich mich anpirsche. Was für ein Erlebnis!
Ab jetzt bekommt unsere Wanderung einen ganz einen anderen Charakter. Spannung liegt in der Luft. Wir sehen Nutria die ihre Bahnen im Wasser ziehen und bald darauf wieder einen Hirsch. Als wir nach gut zwei Stunden und fasziniert von den tierischen Begegnungen wieder auf der langen Allee stehen die zurück zum Eingangstor führt, sehen wir zwei Hirsche direkt vor dem Tor. Verunsichert wandern wir auf sie zu und dann kommt noch eine Überraschung: Die Hirsche laufen nicht weg, lassen uns nah heran kommen, ja sogar streicheln können wir sie. Ob wohl alle ca. 360 Hirsche im Mesola-Wald so zahm sind? An Menschen gewöhnt? Konnten wir sie deswegen so gut fotografieren? Leichte Ernüchterung macht sich breit. Aufgrund unserer mangelnden italienisch Sprachkenntnisse haben wir das auch beim Treffen mit dem Förster am Eingang nicht heraus finden können.
Doch was wir sicher wissen: Die Hirsche die man im Mesola-Wald entdeckten kann, sind einzigartige, nur hier vorkommende Hirsche – eine von fünf weltweit existierenden Rothirsch-Unterarten. Die Statur der Mesola-Hirsche (Cervus elaphus italicus) ist etwas zarter und kleiner als die des Europäischen Rothirsches, der bei uns in Deutschland vorkommt. Die Mesola-Hirsche stellen die einzige verbliebene und ursprünglich vorkommende Rothirschpopulation in Italien dar. Erst 2014 wurden sie als eine eigene Unterart klassifiziert.
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