Ungewöhnliche Wandertour am Monte Cimino
Wie kommt ein chinesisches Schiff aus Marmor mitten in den geschützten UNESCO-Weltnaturerbe-Wald am Monte Cimino? Was ist der Monte Cimino? Und was hat all‘ das mit Reisen zu und mit Tieren zu tun? – Fangen wir ganz von vorne an:
Der Vulkanwald ist UNESCO-Weltnaturerbe
Der Monte Cimino ist ein gut 1000 Meter hoher, längst erloschener Vulkan in Mittelitalien, in der Region Latium, Provinz Viterbo. Ein Großteil des Berges ist von einem wertvollen und in Italien seltenen Buchenwald bedeckt. Die 150 bis 250 Jahre alten Buchen sind hier bis zu 50 Meter hoch, mit einem Stammdurchmesser von mehr als einem Meter. Die vulkanischen Böden sind im Frühling von spektakulären Blütenteppichen bedeckt. Der Wald ist seit 2017 UNESCO-Weltnaturerbe und in ihm lässt es ich wunderbar wandern.
Auf dem Gipfel des Monte Cimino steht ein steinerner Turm auf einem kleinen Plateau mit Sitzbänken. Ein herrlich erfrischender Picknickplatz im heißen Sommer. Wir lieben es, uns in Soriano nel Cimino (das hübsche Bergörtchen welches wir auf dem Weg hinauf zum großen Wanderparkplatz passieren) mit Pizza aus dem Forno und kühlem Bier einzudecken und dann dorthin zu wandern. Der Wald ist nicht nur toll wegen den Buchen und Kastanien (damit erinnert er mich an die Wälder meiner Heimat am Teutoburger Wald), sondern auch wegen den irren Felsformationen aus Vulkangestein.
Ein Landgut mit Schiff im Wald
Schlägt man von Soriano nel Cimino nicht die Richtung Wanderparkplatz „La Fageta del Monte Cimino“ ein, sondern fährt die SP31 Richtung Pallone/Viterbo, gelangt man an Sorianos Ortsrand zur „Tenuta Sant’Egidio“ mit ihrem „Bosco Didattico Del Cimino“. Wir kommen dem chinesischen Schiff im Wald näher!
Das Landgut Sant’Egidio befindet sich in Privatbesitz der Familie Bendetti, die ihr Anwesen samt 130 ha großem Waldareal einem interessierten Publikum unter dem Aspekt des Naturschutzes und der Umweltbildung öffnet. Für einen Besuch muss man sich vorher anmelden. Das chinesische Schiff und vieles mehr kann man im Rahmen einer geführten Tour besichtigen. Das haben wir gemacht, es war toll und ich möchte euch dieses Ausflugsziel unbedingt empfehlen!
Auf dem Besucherparkplatz der Tenuta Sant’Egidio werden wir von Biologin Dr. Cristina Santocchi freundlich empfangen. Auch mein Hund János ist auf dem Landgut herzlich willkommen. Christina erklärt uns, dass die Tour aus zwei Teilen besteht: Besichtigung des chinesischen Schiffs und Wanderung auf Naturlehrpfaden durch den didaktischen Wald bis zum Naturcamp mit Museum.
Los geht’s, direkt in den Wald hinein, hier vorwiegend aus Kastanien bestehend. Nach knapp zehn Minuten stehen wir vor einer Klosterruine ohne Dach am Rand einer hohen Felsklippe. Christina öffnet das verschlossene, alte Holzportal und tatsächlich, da ist es! Beeindruckt stehen wir vor dem weißen Marmor-Schiff, das wie einer Fantasy-Filmszene entsprungen wirkt.
Wie kam das Schiff in den Wald?
Natürlich erfahren wir nun auch die Geschichte zu diesem kuriosen Monument, die in Kurzform so lautet: Gutsbesitzer Eugenio Bendetti Gaglio (heute 92 Jahre alt) bereiste die Welt und pflegte besondere Beziehungen zu China, lernte dort Pu Yi, den Leiter der Gärten des kaiserlichen Sommerpalasts in Peking kennen. Im Kunming-See in den Palastgärten wurde der Gast aus Italien mehrmals auf einem Marmorboot der Kaiserin empfangen. Pu Yi zeigte sich besorgt um den Erhalt und die Zukunft dieses Schiffes und so entwickelte er zusammen mit Eugenio Bendetti Gaglio die Idee, dieses Schiff in Italien nachzubauen.
Der wohlhabende und weltgewandte Italiener ließ es als Symbol der Freundschaft zwischen den Völkern, im Maßstab 1:3 in den Klostermauern seines Landguts nachbauen. Das Monument, welches einmal seine Grabstätte werden soll, wurde von Hand gemeißelt und besteht aus 3000 Stücken weißen Marmors aus China. 100 Tonnen dieses chinesischen Marmors erhielt Eugenio anlässlich seines 75. Geburtstags.
Weiter geht die Tour durch die, unter Waldboden verschollenen Katakomben des alten Eremiten- und später Augustinertklosterkomplexes.
Farn süß wie Lakritz
Nach Begehung dieser eindrucksvollen Relikte gelangen wir auf die vier Naturlehrpfade des didaktischen Walds. Ab jetzt liegt der Fokus auf der Tier- und Pflanzenwelt des Monte Cimino. Cristina macht uns auf einen Farn aufmerksam: Der Tüpfelfarn Polypodium ist die einzige essbare Farnart Europas. Seine Wurzeln, oder korrekter seine Rhizome schmecken süßlich nach Lakritz. Deswegen wird dieser Farn im Deutschen auch „Engelsüß“ genannt.
Hier leben Stachelschweine und Wölfe
Im Wald am Monte Cimino leben zahlreiche Tierarten, darunter Stachelschweine, Eichhörnchen, Füchse, Rehe, Wildschweine und der italienischer Kammmolch. Auch Wölfe ziehen hier durch und werden mit Wildkameras beobachtet und gezählt. Sie sind, neben anderen Arten Thema wissenschaftlicher Studien der biologischen Fakultäten der Universitäten von Viterbo und Rom. Spannend finde ich auch, dass hier Studien über die Auswirkungen des Ökotourismus auf die Verbreitung der lokalen Fauna durchgeführt werden.
Naturcamp mit echten Safarizelten
An der Felsformation „Papststuhl“ genießen wir eine wunderbare Aussicht auf das Landgut und das Tibertal. Von hier oben sieht man auch das Naturcamp mit Besucherzentrum in der alten Kirche St. Egidio, Bio-Labor, Imkerei und Ökologie-Museum. Dort angekommen bestaunen wir die geräumigen, original aus Afrika stammenden Safari-Zelte. Diese können für Outdoor-Survival-Camps angemietet werden. Hier finden auch Veranstaltungen und Kurse zu Themen wie Spurenlesen, Kräuter- oder Pilzkunde, genauso wie Archäologie und Bogenschießen statt.
Den Wald des Landguts zu einem Zentrum der Umweltbildung und des Naturerlebnisses zu machen, beruht auf der Initiative von Eugenios Tochter Azzurra Benedetti. Sie ist Biologin und Präsidentin der Natur- und Kulturorganisation „G.E.A. – Gestione e Educazione Ambientale“ ist.
Ich habe nun Lust auf ein Natur-Survivalcamp mit Spurenlesen und Bogenschießen bekommen, dazu ein Abend am Lagerfeuer mit Übernachtung im Safari-Zelt, das wär was! Vielleicht kann ich demnächst davon berichten.
Führen euch eure Reisepläne in die Provinz Viterbo und ihr seid neugierig auf das chinesische Schiff und/oder die Naturwelt am Monte Cimino findet ihr auf der Website des Landguts Sant’Egidio alle nötigen Kontaktdaten: Tenuta Sant’Egidio
Weiterer Insider-Tipp für die Region
Ganz in der Nähe, am Fuße des Monte Cimino gibt es ein weiteres spannendes Monument, ebenfalls recht versteckt, mitten im Wald gelegen: Die Etrusker-Pyramide von Bomarzo. Mein Bericht dazu: „Bomarzo – ungeheuerlich geheimnisvoll!“
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