Spurensuch-Tour im Zeichen der Naturschutz-Eule
Ein Reportage-Auftrag zur „Naturschutz-Eule“ führte János und mich Mitte November nach Bad Freienwalde, in eine recht abgelegene Gegend ganz im Osten Brandenburgs, die ich euch hier gern als Reiseziel empfehlen möchte. Dort wären wir womöglich nie gelandet, hätte mich nicht Naturfreund Friedhelm Scheel aus Westerkappeln, der mir duch seine Steinkauzschutzaktionen bekannt ist, aufmerksam gemacht.
Friedhelm Scheel schützt nicht nur Steinkäuze sondern sammelt auch Naturschutzschilder. Ihr wisst schon…solche mit einer Eule oder einem Seeadler darauf, die Nationalparke, Naturparke, Landschaftsschutzgebiete oder Naturdenkmale auszeichnen. Auf die Idee Naturschutzschilder zu sammeln kam er, als ihm bei überregionalen Naturschutzeinsätzen, sowie beim Freischneiden und Aufrichten von Schildern auffiel, dass diese überall anders aussehen. Inzwischen besitzt er 80 unterschiedliche, ausrangierte Naturschutzschilder aus 15 Bundesländern.
Der Eulen-Schild-Erfinder – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Irgendwann fing er an sich tiefer in die Thematik der Schilder einzuarbeiten und stieß dabei auf das Haus der Naturpflege in Bad Freienwalde. Diese Institution wurde von Kurt Kretschmann gegründet, der der Erfinder des Naturschutzschilds ist. Alles über seinen spannenden Werdegang, über seine beeindruckende Einstellung zum Naturschutz und natürlich über seine 1950 erfundene Naturschutz-Eule auf dem Schild erfährt man, wenn man das Naturmuseum in Bad Freienwalde besucht. Viele Mitglieder des Vereins des Haus der Naturpflege kannten den 2007 verstorbenen Kurt Kretschmann noch persönlich und können aus erster Hand über das Ehepaar Erna und Kurt Kretschmann erzählen, deren aufregende Lebensgeschichte einen großen Teil der Naturschutzgeschichte der DDR schreibt. Ich treffe dort die stellvertretende Vorsitzende Sybille Knospe, die auch Vorträge und Führungen gibt.
Skiprungschanze ohne hohe Berge – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Mit dem Van kann ich leider nicht auf dem steilen Besucherparkplatz am Haus der Naturpflege parken. Die Straße B158 ein Stück weiter stadtauswärts liegt aber ein geräumiger Parkplatz, der nur knapp zehn Minuten Fußweg entfernt ist. Hier blicke ich direkt auf eine weitere Besonderheit Bad Freienwaldes: Die nördlichste Skisprungschanze Deutschlands. Die Helmut-Recknagel-Schanze wird natürlich vorrangig von Skispringern und Nachwuchstalenten des Wintersportverein Bad Freienwalde 1923 e.V. genutzt, aber auch als „einfacher Touri“ kann man den 38 Meter hohen Schanzenturm erklimmen. Von oben kann man dann zum einen das kribblige Gefühl eines Skisportlers vor dem Absprung nachempfinden, zum anderen einen herrlichen Ausblick auf die Kurstadt und bis in das Oderbruch genießen. (Das Oderbruch? – Dazu später mehr ;))
Mit Hund durch’s Pflanzengewirr – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Hunde sind angeleint im Haus der Naturpflege willkommen. Ich empfehle das Mitnehmen des tierischen Kumpels, denn der Name täuscht: Es handelt sich nicht nur um ein Haus, sondern auch um ein großes Gartenareal in dem gekraxelt und geschnüffelt werden kann. János und ich kommen also angewandert. Da ist es schon, nur noch den kurzen steilen Weg hinauf zu einem imposanten Forsthaus an dessen gestreiftem Vordergiebel ein Hirschgeweih prangt. „Nein, nein, das hier ist nicht das Haus der Naturpflege, sondern nur der Sitz von dessen Förderverein und Unterkunft mit Heuhotel für unsere Gäste“, erklärt mir Sybille Knospe. „Es wurde nach dem ersten Weltkrieg größtenteils aus Munitionskisten erbaut und diente Jahre als Försterwohnung“, hält sie schon bei der Begrüßung die erste, fesselnde Geschichte bereit. Neben dem rustikalen Heuhotel kann man im Försterhaus auch in Gästezimmern übernachten, sowie in einfachen Holzhüttchen mit Lagerfeuerstellen im Garten.
Für Infos zu Öffnungszeiten und Preisen (Eintritt, Übernachtung) des Haus der Naturpflege klick HIER
Blockhaus im Garten – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Gegenüber des Forsthauses gelangt man durch ein Gartentor in einen verwunschenen Naturgarten. „Hier beginnt das Museum und hier wurde die Naturschutz-Eule geboren“, sagt Sybille Knospe und leitet uns über Pfade, vorbei an Kräuterbeeten und verschlungenen Pflanzen hinauf zu einem urigen Blockhaus, dem eigentlichen Haus der Naturpflege. Es wurde 1945 von den Kretschmanns erbaut und war 40 Jahre lang deren Wohnsitz. Kurt Kretschmann sei ein begnadeter Hüttenbauer gewesen und habe das Blockhaus nach Vorbildern errichtet, die er in seinen Wander- und Kriegsjahren in den Alpen und in Russland gesehen hatte. Manch einem Besucher mag das Wohnhaus klein erscheinen, aber die Kretschmanns haben genau so leben wollen: Bescheiden, pragmatisch, friedvoll, im Einklang mit der Natur.
Ich würde am liebsten gleich einziehen, so gemütlich ist es hier. Während ich mich in die Ausstellung vertiefe und im Kretschmann-Archiv stöbere, findet János am knisternden Ofen zur Ruhe. In vielen Ecken entdecke ich hier alte und neuere Eulen-Naturschutzschilder. Kretschmann erdachte 1950 das Schild, als er mit seiner Wandergruppe immer wieder zahlreiche Naturdenkmale sah, die er als schützenwert herausstellen wollte. Bewusst fiel seine Wahl damals auf das Motiv der Waldohreule. Er wollte den schlechten Ruf dieses Vogels in Achtung und Schutzbemühung umwandeln. Die Eule galt damals noch – wie seit dem Mittelalter – als Totenvogel. Nachts wenn die Eule ruft, sollte ein Mensch sterben, hieß es. Dabei sind Eulen ganz einfach nachtaktiv und ziehen sich an die beleuchteten Fenster um dort Insekten zu jagen.
Im Schilderwald – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
5000 Eulen-Schilder ließ Kretschmann im Erzgebirge herstellen. Er schickte sie an andere Naturschützer in der DDR und brachte selbst Schilder mit seiner Wandergruppe an. 1954 verankerte er das Eulenschild im ersten Naturschutzgesetz der DDR und regte die Eulen-Kennzeichnung für Naturgebiete auch in Westdeutschland an. Dort konnte sie sich bis heute nicht einheitlich durchsetzen, da einige Bundesländer den Seeadler im grünen Verkehrsdreieck vorziehen. Inzwischen gibt es diesbezüglich ein regelrechtes Schilderchaos: Eulen mit Schwanzfedern und ohne, mit zwei und mit drei Zehen. Mecklenburg Vorpommern hat die alte Kretschmann-Eule, Brandenburg die biologisch korrekte. Sachsen-Anhalt setzt seine Eule in ein weißes Fünfeck, Thüringen, Sachsen und Schleswig-Holstein in ein gelbes. Bremen, Niedersachsen und Berlin haben die Eule im grünen Dreieck, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und das Saarland setzen auf den Seeadler im grünen Dreieck, Bayern seit kurzem auf den dort heimischen Steinadler.
Da soll noch einer durchblicken! Friedhelm Scheel jedenfalls, verhalf es zu seiner Sammlung, aber er möchte sich für eine Vereinheitlichung einsetzen, genau wie auch das Team des Haus der Naturpflege: „Als Zeichen eines Zusammenwachsens der ehemaligen DDR mit Westdeutschland wäre es doch schön die Eule einheitlich zu übernehmen“, sagen sie.
János und ich verlassen das Blockhaus um den Schau- und Lehrgarten zu erkunden – ein absolut faszinierendes, zuerst mal unübersichtliches Gelände, auf dem es über 1000 verschiedene Pflanzenarten und viele Lauben und Verstecke zu entdecken gibt. Eine dieser Lauben, von der heute nur noch die Grundmauern stehen, nutzte Kriegsgegner Kretschmann 1945 um sich vor den Nazis zu verstecken, was gelang. Im Boden unter der Laube grub er ein Loch in die Erde und harrte dort 75 Tage aus. Der gesamte Schaugarten liegt an einem Hang, dem Boasberg, auf dessen Spitze es den 13 Meter hohen Eulenturm zu erklimmen gilt.
Vin Turm zu Turm – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Fans von Aussichtstürmen kommen in Bad Freienwalde wahrlich auf ihre Kosten. Neben dem Eulenturm und dem Skischanzenturm gibt es noch den Galgenberg-Turm und den Bismarckturm. Wer alle vier Türme bezwingt, die durch den 12 km langen Turmwanderweg verbunden sind, erhält das Bad Freienwalder Turm-Diplom. Dafür muss das Eintritts-Stempelkärtchen in der Touristen-Info, direkt neben der Kirche im historischen Stadtkern, abgegeben werden.
Wandern kann man in Bad Freienwalde überhaupt ganz herrlich, denn der Ort liegt zu einer Seite hin direkt an der Hochfläche Oberbarnim. Ein gut ausgebautes Wanderwegenetz führt durch die hügeligen Wälder rund um Bad Freienwalde. Wunderschön ist auch der Schlosspark, indem Jànos jetzt im Herbst in den bunten Blättern der vielen Eichen herum tobt.
Die Kolonistendörfer im Oderbruch – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Flache Landschaft und weite Blicke bis zum Horizont warten auf der anderen Seite Bad Freienwaldes. Dort beginnt das Oderbruch, ein Landstrich, den Friedrich der Große Mitte des 18. Jahrhunderts trocken legte und somit urbar machte. Davor lebten nur einige Fischer in dem Sumpfgebiet, dass dem Spreewald geglichen haben soll. Am Rand des Oderbruchs fließt die Oder, die die Grenze zu Polen darstellt. Ganz typisch für das Oderbruch sind die Kolonistendörfer, die für die damalige Ansiedlung von rund 1500 Bauernfamilien enstanden sind.
Von Bad Freienwalde auskommend stellt für uns zunächst der Ort Alranft das Eintrittstor zum Oderbruch dar. Es lohnt ein Spaziergang durch das Dorf, ein früherer Fischerort und in der DDR-Zeit eines der ersten Dörfer, in denen eine LPG (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) gegründet wurde. Es dämmert bereits, der Herbsthimmel färbt sich lila und unser Gang durch den Landschaftspark rund um das Schloss Alranft ist äußerst stimmungsvoll.
Am nächsten Tag dann weiter in ein richtiges Kolonistendorf. Auf etwas rumpeligen Landstraßen vorbei an Feldern auf denen im Herbst die Kraniche auf ihrem Weg in den Süden rasten kommen wir durch Altreetz. Hier liegt der kleine Oderbruchzoo, der vom Oderbruchzoo Altreetz e.V. betrieben wird und zu dem ein Feriendorf für Menschen mit Handicap gehört. Da unsere Zeit für die Oderbruchtour begrenzt ist, besuchen wir den Zoo nicht und können deswegen auch nicht sagen, ob sich der Besuch lohnt. Interessant ist jedenfalls, dass der Zoo, so erfahren wir später, 2020 seinen Fokus mehr in Richtung alte, schützenwerte Haus- und Nutztierrassen ausrichten wird.
János poft im Van, als wir im ältesten Kolonistendorf des Oderbruchs ankommen, in Neulietzegöricke. Mit seinen leicht verfallenen Fachwerkfassaden rechts und links der schnurrgeraden Straße, mit der kleinen, von Birken umgebenen Dorfkirche, dem Wasserabzugsgraben in der Mitte und vor allem mit dem hübschen Kolonistencafé scheint es wie im Bilderbuch. Wie herrlich muss es sein, hier im Sommer vor dem Café in der Sonne zu sitzen und Kaffee zu trinken?!. Aber János und ich sind nunmal im Herbst hier – auch reizvoll – aber leider hat das Kolonistencafé ab Oktober nur noch am Wochenende geöffnet und ich stehe vor verschlossener Tür. Schade, ich hatte mich so auf den angepriesenen „Kolonistenkuchen“, ein Hefekuchen mit viel Gemüse, Käse und Hackfleisch gefreut.
Ziegenhof mit WoMo-Stellplatz – Spurensuch-Tour zur Naturschutz-Eule
Bevor wir unser nächstes tierisch-gutes Ziel ansteuern, darf sich mein Hund im nahen Zollbrücke, einer winzigen Siedlung direkt an der Oder, die Pfoten vertreten. Wir laufen auf dem Damm, auf der anderen Flusseite liegt Polen. Zollbrücke ist vor allem bekannt für das „Theater am Rand“. Auf dieser ungewöhnlichen Bühne inmitten flacher Felder gibt es jedes Wochenende Vorstellungen. Kulturinteressierte Berliner fahren bis hierher hinaus um die renommierten Inszenierungen zu sehen und anschließend in der Randwirtschaft regional und saisonal zu speisen. Wir aber sind ja wie immer tierisch in Fahrt und biegen deswegen direkt hinter dem Theater in einen Feldweg, folgen dem Schild zum Ziegenhof Zollbrücke.
Niemand zu sehen auf dem Hofgelände. Ich läute die Glocke am Hofladen, und wenig später kommt ein Mann mit Hut, der sich als der Hofbetreiber Michael Rubin vorstellt, um die Ecke gelaufen. Nach Herrn Rubin begrüßt mich noch ein sympathischer, aber hölzerner Ziegenbock am Eingang, bevor ich vor der Theke des Hofladens stehe. Hier habe ich die Auswahl zwischen Ziegenfrischkäsekugeln in Öl oder mit Kräutern ummantelt, sowie Ziegen-Salami. Der Hartkäse „Deichläufer“ ist leider schon ausverkauft und für ein Eis aus Ziegenmilch ist es mir jetzt zu kalt. Manchmal gibt es hier auch frisches Brot, mit Ziegenmolke gebacken, erfahre ich von Herrn Rubin. Seit 21 Jahren betreibt er den Ziegenhof mit Käserei, auf dem aktuell 130 weiße deutsche Edelziegen leben. Immer im Januar gibt es Nachwuchs und dann ist die Herde sogar 200 Köpfe stark.
Als großer Ziegen-Fan freue ich mich natürlich, dass ich die Ziegen nicht nur durch die große Glasscheibe im Hofladen beobachten, sondern sie sogar im geräumigen Offenstall besuchen darf. Neugierig kommen einige Tiere an das Gatter gelaufen. Manche haben Hörner, andere keine, wie das bei dieser Rasse eben so sei. Wenn sie wollten, könnten sie auch hinaus auf die umliegenden Wiesen. Mir scheint, diese Ziegen haben ein schönes Leben hier.
Auch als Urlauber kann man es sich auf dem Ziegenhof Zollbrücke gut gehen lassen. Es gibt eine Ferienwohnung und für Wohnmobilisten einen schönen Stellplatz mit Blick auf weites Grün und einfacher Dusch- und Waschmöglichkeit. Auch Hunde sind willkommen und haben hier viel Platz zum toben. Vor dem Hofladen gibt es einen Lagerfeuerplatz. Familie Rubin gehört zu den rund 600 Gastgebern im Wohnmobil-Stellplatz-Verzeichnis Landvergnügen, in dem landwirtschaftliche Betriebe ein naturnahes Camp abseits der gewöhnlichen Touristenpfade anbieten.
Ihr interessiert euch für weitere tierisch gute und naturbezogene Ziele innerhalb Deutschlands?
– Dann sind vielleicht die Haselbacher Teiche im Altenburger Land ein Tipp: Zum Bericht
– Oder die Arche Warder in Schleswig-Holstein, Park der vom Aussterben bdrohten Nutztierrassen: Zum Bericht