Zu Besuch auf einer Alpakafarm in der Toskana
Fast wie auf den Hochebenen der Anden fühlt es sich an, wenn man auf den Weiden der toskanischen Alpakafarm „Fioralpaca“ steht und den Blick in die Weite schweifen lässt. Hier auf immerhin 800 Meter Höhe, an den Ausläufern des ursprünglichen Vulkans Monte Amiata (1738 m) wechselt die liebliche mediterrane Vegetation mit etwas kargeren Hochlandpflanzen, dazu die grasenden Alpaka-Herden und dieses klare, strahlende Sonnenlicht….also wirklich, ich fühle mich an Ecuador erinnert, das ich 2010 bereiste.
Neues Leben mit Kamelen – Gründung der Alpakafarm
Die Alpakafarm Fioralpaca gibt es seit 16 Jahren. Im Mai 2007 fuhren Rossella Testi (68) und Riccardo Romanelli (69) mit zwei LKWs vor und heraus sprangen 24 Alpakas. „Ein großer Moment und eine abenteuerliche Reise“, erinnert sich das Paar, das aus Florenz stammt. Viele Jahre lebten Rosella und Riccardo in der Stadt, sie arbeitete als Sprachwissenschaftlerin und er als Ingenieur, bis die Firma, in der Riccardo arbeitete Pleite machte und er von einem Tag auf den anderen seinen Job verlor. Ein Umorientierung begann, der Wunsch nach mehr Ruhe und Arbeit in und mit der Natur. So zogen die Zwei zunächst raus auf’s Land in die Chianti-Region. „Eine TV-Dokumentation über eine der ersten Alpakafarmen Italiens, auch in der Toskana gelegen, traf uns wie ein Blitz. Das war es, das wollten wir auch machen“, erinnert sich Riccardo. Und so begann das mutige Paar 2001 einen Neuanfang, eine Alpakazucht mit einem Männchen und drei, bereits trächtigen Weibchen, die sie auf besagter Farm bei Grosetto kauften.
Alpakafarm am Rand eines der schönsten Dörfer Italiens
Nach und nach wurden es mehr Tiere und die Zwei mussten sich nach einem größeren Areal umschauen. Nach einem Jahr Suche fanden sie ihren Traumort am Monte Amiata, etwas außerhalb des wunderschönen Ortes Santa Fiora, das zu den Borghi più Belli d’Italia gehört.
Ihre 12 Hektar umfassende Farm steht nun auch Besuchern offen. Es ist ein einmaliges Erlebnis für Tierfreunde mit Riccardo über die Weiden zu den Alpakas zu spazieren und seinen unterhaltsamen Ausführungen zu lauschen. Dabei lernt man jede Menge über diese Tiere, die zur Familie der Kamele gehören.
Alpakas singen während der Paarung
Kamele werden in Altwelt- und Neuweltkamele unterteilt. Zu den Altweltkamelen zählen die zweihöckrigen Trampeltiere aus Asien und die einhöckrigen Dromedare aus Afrika. Neuweltkamele gliedern sich in Guanakos und die kleineren Vikunjas. Die domestizierte, also nicht mehr wilde Form des Guanakos ist das Lama, die des Vikunjas das Alpaka. Diese Arten kommen ursprünglich aus Südamerika.
Bei meinem Besuch im April 2023 leben insgesamt 54 Alpakas auf der Farm. Damit sie sich nicht unkontrolliert vermehren sind sie in drei Herden unterteilt – eine Gruppe mit Weibchen und jungen Hengsten und zwei kleinere Gruppen mit ausschließlich männlichen Tieren. Auf der Führung lerne ich, dass die Alpakaweibchen keinen festen Zyklus haben und rein theoretisch das ganze Jahr über Nachwuchs bekommen können. Wenn sie zu Zuchtzwecken in einem Extra-Gehege mit einem Hengst zusammengeführt werden, singt dieser während der gesamten Paarung, erfahre ich. „Mit diesem Ton wird bei dem Weibchen der Eisprung ausgelöst“, weiß Alpaka-Kenner Riccardo.
Alpakas füttern und streicheln
Mit etwas Glück kommen die Tiere während der Führung nah heran und man kann sie füttern und streicheln. „Aber sie haben ihren eigenen Kopf. Wenn sie nicht wollen, wollen sie nicht“, erklärt Riccardo. Mir erweisen sie die Ehre und fressen Körner aus meiner Hand. Dabei überrascht mich ihre Kraft mit der sie meine Hände herunter drücken um auch noch die letzten Krümel zu naschen.
Im Anschluss an die Tierbegegnung empfängt Rossella Gäste in ihrer Wollwerkstatt. Dort webt sie an einem urigen Webstuhl Schals, Mützen, Ponchos und Pullover aus der Wolle ihrer Alpakas. Alle zwei Jahre werden die Alpakas von Fioralpaca geschoren. Dafür kommen Scher-Experten auf das Areal. „Ein Alpaka muss sehr vorsichtig geschoren werden, denn die Wolle ist viel Wert. In einer Stunde schaffen wir rund drei Tiere. Es dauert viel länger als die Schafschur“, berichtet Riccardo.
Ein ausgewachsenes Alpaka liefert nach einem Jahr zirka 2,5 kg Wolle. Daraus kann Rossella rund 30 Mützen oder zehn Schals oder sechs Pullover herstellen. Da die Alpakas unterschiedliche Farbschläge haben, wird die Wolle in fünf Farbtypen unterteilt: Weiß, beige, braun, grau und schwarz. Rossella und Riccardo lassen die Wolle extern zu Garn verarbeiten, mit dem Rossella anschließend ihre Produkte weben kann. „Gefärbt wird bei uns nichts, ich arbeite ausschließlich mit den natürlichen Farben“, erklärt sie.
Natürliche Wollprodukte
Die Alpka-Wollprodukte kann man direkt auf dem Hof kaufen, auf toskanischen Märkten, auf denen Rossella und Riccardo an Wochenenden einen Stand haben oder auf Bestellung.
Infos und Kontakt zur Alpakafarm in Santa Fiora findet ihr auf www.fioralpaca.it. Riccardo und Rossella bitten um vorherige Anmeldung, wenn ihr sie und ihre Tiere besuchen und eine Führung bekommen möchtet. Seid ihr, wie ich, mit Hund unterwegs, ist dieser auf der Farm willkommen. Das tierliebe Paar hat selbst eine ruhige Hündin. Auf die Weiden sollten Besucherhunde aber nicht mitgenommen werden, denn dann nehmen die Alpakas reißaus.
Gehört ihr zu den Kamel-Fans und habt Interesse an weiteren Reise-Erlebnissen mit Alpaka, Lama und Co.? Dann lest auch meinen Bericht über die größte Kamelfarm Lettlands: Wo in Lettland Lamas grasen
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