Tour mit Van und Hund auf dem Gargano
Heißt es der, die oder das Gargano? Und wie betont man den Namen dieses Gebiets, der in meinen Ohren irgendwie wie Schlumpfen-Feind Gargamel klingt, korrekt auf Italienisch? Wir wussten wenig über diese Region, die „Landkartlich“ gesehen Italiens Stiefelsporn bildet und zu Apulien gehört, als wir Anfang November 2020 mit unserem Van auf den bergigen Gargano zu rollen. Inzwischen wissen wir mehr und können kaum glauben, dass diese wunderschöne Gegend nicht nur uns, sondern scheinbar auch vielen anderen Reisenden doch noch unbekannt ist. DER Gargano ist ein kleines Gebirge, mit viel Pinien- und einem besonderen Buchenwald, mit hübschen Fischer- und Bergdörfern, einer verehrten Pilgerstätte, einer zauberhaft zerklüfteten Küste und er ist größtenteils Nationalpark.
Streunerhunde und Wasserbüffel
Aus Norden auf der Adria-Küstenautobahn A 14 kommend, landen wir als erstes im einzig flachen Bereich des Gargano, an der Lagune „Lago di Lesina“ und dem nahen Strand bei Marina Lesina. Im Sommer eine Ferienappartments-Hochburg auf Italiens Stiefelsporn, ist Marina Lesina jetzt im Winter eine Geisterstadt und zwischen ihren leerstehenden Bettenburgen streichen Streunerhunde und -Katzen umher. Auch der lange Sandstrand ist zu dieser Zeit einsam und verlassen und so können wir mit dem Van direkt am Strand parken. Der nächste Tag beginnt mit einem Frühstück mit Füßen im Sand und dem Besuch eines Streuners, der Käsescheiben abstaubt und eine Runde mit János tobt.
Landeinwärts in der Lagune Lesina, in der auch Aale gezüchtet werden, kann mit etwas Glück Flamingos beobachten und an den Ufern Wasserbüffel. Zwischen Marina Lesina und der hübschen Kleinstadt Lesina liegt eine Wasserbüffel-Farm auf der aus Büffelmilch Käse hergestellt wird, u.a. der bekannte und international beliebte Büffelmozzarella. Der Verzehr von Büffelmozzarella ist allerdings in die Kritik gekommen, denn nur die Milch der Büffelkühe wird dafür gebraucht. Die männlichen Büffel, sind für die Käseproduktion nicht nützlich. Auch ihr Fleisch wird kaum genutzt und so sind die männlichen Kälber (jedes zweite neugeborene Kalb ist männlich) für die Viehbauern nur Kostenfaktor und werden oft direkt nach der Geburt getötet. Mehr zu der Kritik an der Büffelhaltung hier
Poesie und Kunst an den Wänden von Rodi Garganico
Durch riesige Olivenbaum-Felder, die jetzt im Herbst abgeerntet werden, fahren wir weiter, am zweiten Binnen-Gewässer des Gargano vorbei – der Varano-Lagune. Den nächsten Halt legen wir aber erst in Rodi Garganico ein. Unten am neuen Hafen, an dem es im Sommer sicher trubelig ist und Schiffe von Italiens Stiefelsporn zum Taucherparadies Tremiti-Inseln und nach Kroatien ablegen, finden wir jetzt im November einen idealen Übernachtungsplatz auf einem großem Parkplatz, wieder direkt am Strand. Obwohl aufgrund der Corona-Pandemie reisen nur eingeschränkt möglich ist, parken hier auch zwei Wohnmobilisten aus den Niederlanden und England. Auf dem steilen Weg hinauf in’s Zentrum bietet uns ein junger Mann eine große Tüte Orangen und Zitronen für „nur“ drei Euro an. Wir sind noch nicht Süditalien erprobt, wissen noch nicht, wie gut und günstig die saftigen Vitaminbomben später auf dem Markt z.B. in Manfredonia erhältlich sind und fallen so auf eine Ladung unreifer und dafür zu teurer Früchte rein.
In Rodi schlengeln wir uns die Gassen hinauf bis zum höchsten Ortspunkt und dem „Stadt-Balkon“, überblicken von oben den Yachthafen und den weiten Sandstrand und entdecken hier und da reizende, oft poetische Wand- und Treppenmalereien (wie wir sie ab jetzt noch öfter in Apulien sehen werden, in Rodi eine Gemeinschaftsaktion aus 2019 zur Stadtverschönerung #scalinaterodiane). Ansonsten ist, aufgrund von Corona, wenig los. Es herrscht eine melancholische Stimmung, die am nächsten Tag noch etwas düsterer wird, als Sturm und Regen aufkommen und sich die Palmen an der Hafenpromenade im Wind wiegen. János findet’s toll und tobt den Strand entlang. Nur zu gerne wären wir in das kleine Hafenrestaurant eingekehrt um uns mit heißer Fischsuppe den Magen zu wärmen, aber es hat leider geschlossen – Ob aufgrund der Corona-Maßnahmen oder weil jetzt Winter und somit Off-Season ist, können wir nicht sagen.
Mit großem Hund in einen kleinen Nudel-Laden
Auch Peschici ist so ein schönes Örtchen, über dem Meer thronend mit engen Gassen und weißgetünchten Häusern. Ich fühle mich ein bisschen an Mykonos und überhaupt die griechischen Kykladen erinnert. Einen Park- und Übernachtungsplatz für den Van finden wir hier allerdings schwerer. Es gibt einen Campingplatz, der auch jetzt Anfang November noch offen ist, aber wir benötigen gerade weder Ver- noch Entsorgung (die übliche Camperlogistik), noch Strom und suchen deswegen nach einem Platz, an dem wir auch über Nacht frei stehen können, ohne zu stören oder weggeschickt zu werden. Den finden wir in einer Seitengasse, die direkt zum Strand führt. Super – erneut ein Plätzchen mit Meerblick. Im Sommer könnte man dort sicherlich nicht parken, aber jetzt ist die angrenzende Strandbude, sowie das nahe gelegene Hotel Corona (Schmunzeln an dieser Stelle erlaubt!) geschlossen. Alle Rand-Parkstreifen sind leer. Am Strand entlang wandern wir auf Peschici zu und machen dabei am Strand eine traurige Entdeckung: Eine tote, angespühlte Meeresschildkröte, beinahe so groß wie János.
In Peschici öffnen jetzt um fünf wieder einige kleine Läden. Auch im Winter gibt es in Italien die Siesta – Geschäfte haben von 13 bis ca. 16/17 Uhr geschlossen. Für uns ist das ungewöhnlich, denn das Leben in den Ortschaften erwacht erst, wenn es schon wieder dunkel ist. Natürlich ist im November 2020 alles etwas eingeschränkter und weniger belebt aufgrund der Corona-Zeit und in besonders touristischen Orten ist eh außerhalb der Saison „tote Hose“. So auch ein bisschen in Peschici, aber gerade das erzeugt eine besondere Atmosphäre. Die kleine Kirche ist erleuchtet, aus ihrem Eingangsportal strömt Weihrauchduft und wir hören Gesang. Ansonsten ist es recht still in den Gassen. Eine alte Dame winkt uns aus ihrem kleinen Laden entgegen. Wir sollen doch ruhig herein kommen und uns umsehen. Nein, nein, der Hund sei kein Problem. János, der Shopping nicht gewohnt ist, ist aufgeregt und fahrig im Laden und wir haben ein bisschen Stress mit seinem wedelnden Schwanz der dicht an den kleinen Keramikgefäßen mit Oregano entlang fegt. Wir kaufen Pasta in allen Formen und Farben, darunter die, für Apulien typischen Öhrchen-Nudeln Orrechiette. Weiteren Shopping-Versuchungen erliegen wir nicht, denn die meisten kleinen Kunsthandwerks- und Spezilitätenläden in Peschichi haben geschlossen. Leider auch die vielen so gemütlich aussehenden Restaurants, denn aufgrund der Corona-Maßnahmen im November 2020 dürfen die Restaurants ab 18 Uhr keine Gäste bewirten.
Der Monolith und die Meerjungfrauen
Größer und geschäftiger, weniger pittoresk als Peschici und Rodi, auf andere Weise schön, ist das Städtchen Vieste. Hier finden wir den dringend benötigten Supermarkt und… mal wieder… eine gute Van-Parkmöglichkeit auf einem großen Platz am Strand. Viestes Leuchtturm kann man leider nicht erreichen, da er auf einer kleinen Insel vor der Stadt liegt, auch das hoch über Vieste thronende Castello ist unzugänglich, da militärisch genutzt. Dafür kann man aber seitlich der Kirche Convento San Francesco auf Felsen ganz bis auf die, in das Meer ragende Gargano-Kap-Spitze klettern. Ein herrlicher Ort für einen, im Rucksack mitgenommenen Sundowner! Einige Katzen streunen hier umher und sammeln die Fischreste der Angler auf. Deswegen und auch wegen den steil ins Wasser abfallenden Felsen halten wir unseren Hund hier besser an der Leine. Den Blick auf das weite Meer gerichtet liegt zu unserer Linken nun der kleine Stadtstrand, ein geschütztes Halbrund unterhalb einer kurzen Promenade, in Italien „Lungomare“ genannt. Zu unserer Rechten, etwas weiter entfernt befindet sich der lange Strand „Spiaggia della Scialara“. Dort kann János wieder frei rennen, derweil wir Viestes Wahrzeichen, den „Pizzomunno“ (Spitze der Welt) bestaunen. Um diesen knapp 30 Meter hohen Monolith aus Kalkstein ranken Sagen, wie die über den verliebten Fischer Pizzomunno und seiner Cristalda die von den Meerjungfrauen entführt wurde. Als Fischer Pizzomunno erfuhr was mit Cristalda passiert war, erstarrte er vor Schmerzen auf dem weißen Felsen am Meer – dem heutigen Pizzomunno.
Wanderung zum Strand der weißen Felsen
Die Küstenstrecke ab Vieste in Richtung Mattinata/Manfredonia wird spektakulär. Überall locken Aussichten auf Pinien-bestandende Klippen, auf die kleinen, vierkantigen Wehrtürme, die im 16. Jahrhundert gegen Piraten- und Freibeuter-Überfälle erbaut wurden, auf feinsandige Buchten, die teils nur über steile, schmale Pfade oder sogar nur mit dem Boot zu erreichen sind. Hier kann man klettern und erkunden was das Zeug hält! Ein gut angelegter Wanderweg führt vom kleinen Wanderparkplatz nördlich von Mattinata in einer engen Serpentine gelegen, in gut einer Stunde zum Traum-Strand „Spiaggia di Vignanotica“. Direkt am Anfang genießt man den traumhaften Ausblick auf die Bucht Baia delle Zagare mit ihrem Felsentor im Meer. János fängt unterwegs an den sonnenbeschienen Hängen und Steilwänden Eidechsen. Doch die richtigen Steilwände – ja, die tun sich auf, als wir den Strand erreichen. Wow, wir sind überwältig! Ganz entlang des schmalen Kiestrandes zieht sich eine irre-hohe und steile Felswand aus weißem Gestein, in dessen Rillen und Schichten Jahrtausende alte Erdzeitgeschichte geschrieben steht. Wir stapfen über die dicken Kiesel, für János Pfoten etwas mühselig, um einmal ganz bis ans Ende des Strands zu gelangen. Nur vier andere Leute sind hier und bräunen ihre Körper in der windgeschützten, aber immer nur bis zum frühen Nachmittag sonnigen Bucht. Ein Mutiger geht sogar noch baden. Es sieht aber auch wirklich einladend aus, das glasklare und blau-leuchtende Wasser. Aber als wir die Wanderschuhe ausdampfen lassen und die Füße ins Meer tunken wird schnell klar: Lieber doch Apfel- und Schokocroissantpause anstatt Planschen. Dabei beobachten wir die Kormorane und Möwen auf dem kleinen Felsen draußen im Meer. Wenn man sich hier auf den Rücken legt, kommt es einem so vor als würden sich die Felswände über einen beugen – Abgefahren!
Hinauf zu Engel und Riese
Über Mattinata, ein Ort, der aufgrund seiner Lage an der Südseite von Italiens Stiefelsporn sehr wetterbegünstigt zu sein scheint, verlassen wir die Küste und fahren hinauf in die Berge. Wir schrauben uns Kurve um Kurve hinauf, immer wieder die Sicht auf das Meer. Die Steigung ist enorm, sodass man sich beim Blick in die Ferne wie in einem Flugzeug sitzend fühlt. 850 Meter hoch über dem Meer liegt Monte Sant’Angelo, UNESCO Weltkulturerbe, seit dem Mittelalter bedeutender Pilgerort der Christen, weil dort in einer Grotte der Erzengel Michael erschienen sein soll. Schon lange vorher zu Römer- und Griechen-Zeiten war der Platz Kultstätte und Orakelort. An höchster Stelle des Orts steht die Burg mit dem dicken „Torre del Gigante“ (Turm des Riesen) etwas unterhalb die bedeutende, dem heiligen San Michele geweihte Wallfahrtskirche. Uns gefallen aber besonders die symmetrisch angeordneten, sehr einfachen weißen Häuser, die wir in dieser Art bisher nur hier gesehen haben die unbeschreiblich schöne Aussicht auf den Golf von Manfredonia.
Hinein in den uralten Foresta Umbra
Jetzt wird es aber mal wieder Zeit für ein Natur-Ziel! János ist das Leine- und auf Asphalt-Laufen leid und auch wir haben Lust tiefer einzutauchen in den Nationalpark Gargano mit seinem Foresta Umbra. Der Foresta Umbra ist ein uralter Buchenwald, der eine Fläche von rund 11.000 ha bedeckt. Früher soll er sich über ganz Apulien erstreckt haben und gilt als der niedrigste Buchenwald Europas. Aufgrund der speziellen klimatischen Bedingungen auf dem Gargano werden die Buchen hier nicht so hoch wie anderswo. Die kurvige Strecke von Monte Sant’Angelo bis in das Herz des Foresta Umbra, zum See „Laghetto d’Umbra“, zieht sich endlos ist, ist aber wunderschön. Sie führt vorbei an einsamen, alten Gehöften auf deren Weiden für uns unbekannte Rinderrassen grasen, auch Ziegen und Schweine kreuzen den Weg. Erstaunlich ist, wie sich mit Erreichen des Foresta Umbra plötzlich die Vegetation ändert. Schon vorher fahren wir durch dichtes Waldgebiet, doch das besteht vorrangig aus Pflanzen die man aus dem mediterranen Raum kennt. Im Foresta hingegen sieht es aus wie bei uns Zuhause im Teutoburger Wald. Wir wandern durch buntes Laub entlang des kurzen Rundwegs um den Umbra-See. Aus dem Wasser tauchen hier und da die Köpfe von Schildkröten auf. Auch Wildschweine und Mufflons sollen hier leben. Wir entdecken ihre Spuren und Wühlplätze nahe des Sees. Bekannt ist der Foresta Umbra auch für seine über 200 Arten wilder Orchideen, doch deren Blüte erleben wir jetzt im November natürlich nicht (sie blühen im April und Mai). Dafür entdecken wir zahlreiche zartlila Alpenveilchen, wunderschön!
15 ausgeschilderte Wanderwege führen durch das Naturgebiet, es gibt viele, schön angelegte Picknickplätze, nahe des Sees eine urige Waldschänke und ein Besucherzentrum mit Wildgehege und Naturmuseum. Doch das hat, als wir dort sind, leider geschlossen. Öffnungszeiten Naturmuseum: Palmsonntag bis 4. Oktober, 9 bis 18 Uhr.
Unterwegs in Corona-Zeiten
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